Podiumsdiskussion zur Flüchtlingskrise und der Rolle des öffentlichen Dienstes
CDU-Spitzenkandidat Wolf verspricht BBW ein Bündnis für mehrere Jahre
Sollte Guido Wolf neuer Ministerpräsident werden, dann will er mit dem Beamtenbund ein „Bündnis für mehrere Jahre schließen“. Das erklärte er bei der Podiumsdiskussion des BBW Beamtenbund Tarifunion, die am 16. Februar 2016 in der Stuttgarter Liederhalle stattfand. Er sprach von „Kooperation“ und „Kommunikation auf Augenhöhe“. Dass sich der Stellenabbau der zurückliegenden Jahrzehnte jetzt räche, wo der öffentliche Dienst aufgrund der Flüchtlingszuwanderung in besonderem Maße gefordert ist, räumte Wolf unumwunden ein: Man habe in den vergangenen Jahren „zu viele Leute aus dem System gelassen“.
In dieser Einschätzung waren sich alle Diskutanten am Podium einig. Übereinstimmung gab es auch darin, dass mehr Geld in den öffentlichen Dienst investiert werden muss, im Land an erster Stelle durch die Rücknahme der abgesenkten Eingangsbesoldung. Dafür sprachen sich neben Guido Wolf auch Klaus Maier, der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion und der ehemalige Justizminister Ulrich Goll von der FDP aus. Lediglich Andreas Schwarz, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, äußerte sich in dieser Angelegenheit zurückhaltend. Er räumte Einzelfallprüfungen ein, etwa bei Bewerbern, die außerhalb des öffentlichen Dienstes bereits Berufserfahrung nachweisen könnten.
„Öffentlicher Dienst und Flüchtlingskrise – Herausforderung, Überforderung?“ – dieses Thema hatte der BBW den Diskutanten am Podium vorgegeben. Platz genommen hatten dort neben den Vertreter aller vier Landtagsfraktionen BBW-Chef Volker Stich und Prof. Dr. Werner J. Patzelt von der TU Dresden, der zuvor mit einem Impulsvortrag zum Thema „Herausforderung Migrantenzustrom – Politik contra Bürger“ die Problematik der Lage dargestellt hatte.
Patzelt warf den etablierten Parteien ideologische Überheblichkeit vor, weil sie die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger negiere, die aus Angst vor Überfremdung leichte Beute für Pegida und die AfD samt deren rechtspopulistischen Parolen seien. Der Bundesregierung bescheinigte er zudem Passivität und Arroganz, Passivität, weil sie es versäumt habe zur rechten Zeit ein Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen und Arroganz, weil sie erwarte, dass Europa in der Flüchtlingsfrage ihren Vorgaben folge.
Die ungelöste Frage, wie der unaufhaltsame Flüchtlingszustrom nach Europa zu stoppen ist, spalten die Mitgliedsstaaten der EU. Steht Europa am Scheideweg? Rächen sich jetzt Fehler der Vergangenheit? Gilt der Satz von Ministerpräsident Kretschmann, das Boot ist nie voll, auch heute noch? Das waren die Fragen, mit denen Moderator Frank Krause, Chefreporter bei den „Stuttgarter Nachrichten“, die Politiker auf dem Podium konfrontierte.
„Wir haben alle geschlafen. Lampedusa war weit weg“, räumte Ulrich Goll (FDP) unumwunden ein. Der Bundesregierung aber warf er vor, dass sie jetzt, wo die Probleme konstruktiv angegangen werden müssen, über Kosmetik bei Asylfragen diskutiere.
Auch Klaus Maier, der finanzpolitische Sprecher der SPD, sprach von Fehlern. Es sei einiges falsch gelaufen, insbesondere dass man versäumt habe rechtzeitig ein Einwanderungsgesetz zu implementieren.
Auch der CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf räumte ein, dass Deutschland eine falsche Einwanderungspolitik beschritten habe. Man habe versäumt die Weichen für eine sinnvolle Zuwanderung in den Arbeitsmarkt zu stellen. Jetzt gebe es die Zuwanderung in die Sozialsysteme. Die Flüchtlinge profitierten von den großzügigen deutschen Regelungen. Dennoch bekannte sich Wolf uneingeschränkt zum Asylrecht, plädierte zugleich aber auch für schärfere Kontrollen. Zudem müssten falsche Anreize abgebaut und die Fluchtursachen bekämpft werden.
Man habe die Dynamik der Zuwanderung unterschätzt, sagte Andreas Schwarz von den Grünen zum Kretschmann-Zitat vom Boot, das nie voll werden dürfe. Jetzt gelte abzuwägen zwischen Humanität und Pragmatismus. Klar ist für ihn, dass Deutschland alle Flüchtlinge aus Kriegsgebieten aufnehmen muss und dass es die Aufgabe Baden-Württembergs ist, die Flüchtlingsaufnahme im Land gut zu organisieren.
Die Erstaufnahme der Flüchtlinge, ihre Unterbringung, Versorgung und in der Folge die Integration derer, die in Deutschland bleiben dürfen, bringt den öffentlichen Dienst an die Grenzen der Leistungsfähigkeit. Es fehle hinten und vorne an Personal, sagte BBW-Chef Volker Stich. Arbeitskräfte für den öffentlichen Dienst seien kaum noch zu bekommen, weder Ärzte, Psychologen, Lehrer, Sozialarbeiter oder Verwaltungsfachleute, warnte er und nahm die Politik in die Pflicht. Sie müsse dafür sorgen, dass alle ohne Bleiberecht ausreisen müssen. Zugleich forderte er eine konzertierte Aktion mit dem Ziel den öffentlichen Dienst finanziell aufzuwerten. Um qualifizierte Mitarbeiter überhaupt noch zu finden, müsse die Absenkung der Eingangsbesoldung ganz schnell aufgehoben werden.
Lediglich Grünen-Fraktionsvize Schwarz hatte dagegen Einwände, während CDU-Fraktionschef Wolf die dafür notwendigen Haushaltsmittel genauso als zweitrangig bezeichnete, wie das Geld, das man in den sozialen Wohnungsbau investieren müsse. „Die Frage nach dem Geld darf nicht die alles entscheidende sein“, sagte er und warnte vor der Gefahr einer sozialen Verwerfung. Notwendig sei der Blick auf die, die da waren und nicht allein auf die neue Personengruppe, nämlich auf die Flüchtlinge.