08. September 2022

Gesetzgebungsverfahren zur Einführung des Hamburger Modells ist eingeleitet – BBW warnt:

Verfassungsrechtlich bedenklich und teuer – Grund genug gegen die Einführung einer pauschalen Beihilfe

Die Landesregierung will das Hamburger Modell im Land einführen – koste es, was es wolle. Noch unmittelbar vor den Sommerferien hat das federführende Finanzministerium den entsprechenden Gesetzentwurf zur Einführung einer pauschalen Beihilfe (PBEinfG) ins Beteiligungsverfahren gegeben. Der BBW lehnt das Vorhaben rundweg ab und hat dafür einen Katalog guter Gründe, ein gewichtiger Grund davon: die erheblichen Kosten für eine Maßnahme, die nur wenigen nutzt.

Der Absichtserklärung im Koalitionsvertrag folgen jetzt Taten: Mit dem Gesetz zur Einführung einer pauschalen Beihilfe (PBEinfG), das jetzt auf den Weg gebracht wird, soll Beamtinnen und Beamten künftig neben dem bewährten System aus Eigenfürsorge und Beihilfe, die Möglichkeit einer pauschalen Beihilfe in Form eines Zuschusses des Dienstherrn zu den Beiträgen einer freiwilligen gesetzlichen oder privaten Krankheitskostenvollversicherung eröffnet werden. Damit soll sichergestellt werden, dass Beamtinnen und Beamte, die sich für die gesetzliche Krankenversicherung entscheiden, nicht mehr länger den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil bezahlen müssen.

Das Land rechnet durch die Einführung der pauschalen Beihilfe mit Mehrausgaben von 13,8 Millionen Euro im ersten Jahr, die sich voraussichtlich jährlich um drei Millionen Euro erhöhen.

„Überrascht bin ich nicht, aber verwundert und einmal mehr von politischem Handeln enttäuscht“, hatte BBW-Chef Kai Rosenberger Ende Juli das eingeleitete Gesetzgebungsverfahren kommentiert. Es sei schwer nachvollziehbar, dass man trotz angespannter Haushaltslage den Appell des Rechnungshofs negiere, Notwendiges von Wünschenswertem zu trennen, und eine ideologisch gefärbte Maßnahme durchziehe, die nur wenigen nutze, aber viel koste. „Wir sprechen hier von 2,8 Milliarden Euro bis 2060“, sagt Rosenberger. Zugleich weist er darauf hin, dass von den von den 13,8 Millionen Euro an Mehrausgaben im Jahr 2023 derzeit gerade einmal 0,8 Prozent der Beamtinnen und Beamten im Land profitierten.

All die Bedenken und all die Kritik, die der BBW bereits im Vorfeld des jetzt eingeleiteten Gesetzgebungsverfahrens immer wieder geäußert hatte, sind in die Stellungnahme eingeflossen.

Die Kritik des BBW an dem Gesetzentwurf setzt bereits beim Namen des geplanten „Gesetzes zur Einführung einer pauschalen Beihilfe“ an. Schon dieser sei nicht korrekt. Denn bei der „pauschalen Beihilfe“ handele es sich nicht um eine Beihilfeleistung, sondern, wie auch in der Gesetzesbegründung ausgeführt, um einen Zuschuss für Beamtinnen und Beamte zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag. Dadurch wird nach Ansicht des BBW deutlich, dass die Umgehung der fehlenden landesrechtlichen Gesetzgebungskompetenz für einen Arbeitgeberzuschuss verschleiert werden soll.

Das gewichtigste Argument gegen die Einführung einer pauschalen Beihilfe sind aus Sicht des BBW verfassungsrechtliche Fragen, die trotz Einführung einer pauschalen Beihilfe in Hamburg und vier weiteren Bundesländern nach wie vor strittig seien. Auch das Finanzministerium habe im Herbst 2018 im Hinblick auf das Hamburger Modell verfassungsrechtliche Zweifel (Drucksache 16/4763) geäußert. Nach Auffassung des BBW stellt eine nach dem vorgelegten Entwurf eingeführte pauschale Beihilfe keine verfassungskonforme Ausgestaltung der Fürsorge dar. In seiner Argumentation stützt sich der BBW dabei auf das Gutachten der Bonner Kanzlei Redeker, Sellner, Dahs zu den verfassungsrechtlichen Problemen der Einführung der pauschalen Beihilfe in Baden-Württemberg.

Neben den verfassungsrechtlichen Bedenken sprechen nach Überzeugung des BBW auch die enormen finanziellen Mehrbelastungen für das Land und die Kommunen gegen die Einführung der pauschalen Beihilfe, zumal diese lediglich einem begrenzten Personenkreis zugutekomme. Zudem hätten Beamtinnen und Beamte kein echtes Wahlrecht, sollte die pauschale Beihilfe eingeführt werden. Vielmehr müssten sie eine unwiderrufliche Entscheidung treffen, die nicht nur sie selbst, sondern auch ihre berücksichtigungsfähigen Angehörige im Falle des Todes betrifft. Und nicht zuletzt diene die Einführung der pauschalen Beihilfe dazu, den Weg zur Einheits- oder Bürgerversicherung zu bereiten, wie die Äußerung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bestätigte: „Dass Richter und Beamte zwischen GKV und PKV wählen dürfen, ist ein wichtiger Schritt Richtung Bürgerversicherung.“

Was die Mehrbelastung für den Landeshaushalt bei Einführung der pauschalen Beihilfe betrifft, verweist der BBW darauf, dass diese noch höher ausfalle als im Gesetzentwurf ausgewiesen. Denn in diesem Entwurf werde nicht berücksichtigt, dass durch das sogenannte 4-Säulen-Modell und die Ankündigung des Bundesgesundheitsministers, den Zusatzbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung zum 1. Januar 2023 um 0,3 % zu erhöhen, die Kosten bereits beim Start der pauschalen Beihilfe weit über den im Gesetzentwurf genannten Kosten liegen werden.

Zudem weist der BBW darauf hin, dass durch das 4-Säulen-Modell die Bruttogehälter, insbesondere in den unteren Besoldungsgruppen und bei Familien mit mehreren Kindern, ansteigen werden. Dies habe zur Folge, dass sich die Beitragskosten in der GKV, auch wegen der Beitragserhöhung zum 1. Januar 2023, deutlich erhöhen werden. Da die Berechnung der finanziellen Mehrbelastungen nicht im Gesetzentwurf dargelegt ist, sei auch nicht ersichtlich, wie sich steigende Gehälter und Beitragskosten in der GKV auswirken.

Die Mehrbelastungen für den Landeshaushalt sind darauf zurückzuführen, dass die Beihilfe nur individuell und anlassbezogen im Krankheitsfall gezahlt wird, wohingegen die pauschale Beihilfe krankheitsunabhängig monatlich anfällt. Damit übersteigen die Kosten der pauschalen Beihilfe die der individuell gewährten anlassbezogenen Beihilfe während der aktiven Dienstzeit einer Beamtin bzw. eines Beamten enorm. Das ändert sich erst mit dem Eintritt in den Ruhestand. In der Gesamtschau, argumentiert der BBW, stehen die anfallenden Mehrkosten daher in keinem Verhältnis zum angeblichen Nutzen durch die Einführung der pauschalen Beihilfe.

Hinzu komme, dass nur ein begrenzter Kreis von Interessierten von dem Angebot einer pauschalen Beihilfe profitieren könnte, da in der Regel die Voraussetzungen zum Eintritt in die gesetzliche Krankenversicherung gem. § 9 SGB V bei vielen kaum vorliegen dürften. Laut Angaben der Landesregierung sind gegenwärtig lediglich 1,3 % aller Landesbeamtinnen und Landesbeamten freiwillig gesetzlich krankenversichert (0,8 % aller aktiven Beamtinnen und Beamten, 2,0 % aller Versorgungsempfängerinnen und -empfänger, DS 16/9980 Frühjahr 2021). Freiwillig gesetzlich versichert sind vor allem Beamtenfamilien mit mehreren Kindern, Beamtinnen und Beamte mit Schwerbehinderungen oder chronischen Krankheiten. 

Der BBW ist auch dafür, dass den freiwillig gesetzlich krankenversicherten Beamtinnen und Beamten geholfen wird. Der BBW ist jedoch der Ansicht, dass die Einführung der pauschalen Beihilfe zu keiner gerechten und vor allem zu keiner verfassungskonformen Lösung des Problems führt. Zielführend und obendrein verfassungskonform wäre es dagegen, die zusätzlichen Mittel, die mit der Einführung einer pauschalen Beihilfe fällig würden, beispielsweise in die Übernahme der Risikozuschläge der privaten Krankenkasse zu investieren, die bei Beamtinnen und Beamten mit Vorerkrankungen anfallen, und/oder für diesen Personenkreis die Beihilfebemessungssätze zu erhöhen. Eine solche Regelung würde weder mit den Grundsätzen des Berufsbeamtentums kollidieren noch die Allgemeinheit durch eine zusätzliche Bezuschussung der gesetzlichen Krankenkassen belasten.

Aufgrund der erheblichen Kosten und der erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken rät der BBW dringend davon ab, dieses Gesetzesvorhaben weiterzuverfolgen, dessen Maßnahmen möglicherweise aus verfassungsrechtlichen Gründen wieder korrigiert werden müssten.