23. November 2020

Podiumsgespräch bei der Landeshauptvorstandssitzung des BBW

Spitzenvertreter der Landtagsfraktionen beziehen Position

Gut drei Monate vor der Landtagswahl haben Spitzenvertreter der Landtagsfraktionen von Bündnis90/Die Grünen, CDU, SPD und FDP dem BBW – Beamtenbund Tarifunion (BBW) für die kommende Legislatur weiterhin eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zugesagt. Bei einem Podiumsgespräch im Rahmen der BBW-Landeshauptvorstandssitzung signalisierten sie Unterstützung für Forderungen der Organisation, je nach Parteizugehörigkeit mit gewissen Abgrenzungen.

Videoaufzeichnung des Podiumsgespräches

CDU-Fraktions-Vize Thomas Blenke sicherte dem BBW zu, im Falle einer Regierungsbeteiligung nach der Landtagswahl werde es mit der CDU keine Corona-Sonderopfer geben. Zudem versprach er, dass alle noch offenen Sonderopfer aus dem Haushaltsbegleitgesetz 2013/2014 zurückgenommen werden. Für eine Rücknahme dieser Sparmaßnahmen sprachen sich auch SPD-Fraktionschef Andreas Stoch und Hans-Ulrich Rülke, der Fraktionsvorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, aus. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz hingegen blieb in dieser Angelegenheit eine eindeutige Antwort schuldig. Übereinstimmend sprachen sich alle vier für die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten aus.

Einig war man sich auch über alle Parteigrenzen hinweg, dass der öffentliche Dienst und seine Beschäftigten hervorragende Arbeit leisten. Welchen Stellenwert eine gut funktionierende Verwaltung für die Stabilität des Landes und die Gesellschaft habe, zeige sich in diesen Zeiten der Corona-Pandemie Tag für Tag aufs Neue.

Was Grünen-Fraktionsvorsitzender Andreas Schwarz bereits in seinem Eingangsstatement zusicherte, nämlich im Fall einer Regierungsbeteiligung 2021 die Einführung von Lebensarbeitszeitkonen im Koalitionsvertrag festzuschreiben, unterstrich CDU-Fraktions-Vize Thomas Blenke im weiteren Verlauf des Podiumsgesprächs.

In seinem Eingangsstatement hatte Blenke vorwiegend darauf hingewiesen, was die amtierende grün-schwarze Koalition in den zurückliegenden Jahren für den öffentlichen Dienst und seine Beschäftigten auf den Weg gebracht hat, angefangen bei der Rücknahme der abgesenkten Eingangsbesoldung bis hin zur Anhebung der Besoldungsgruppen A 5 nach A 6 und A6 nach A 7 durch das im Oktober 2020 verabschiedete Änderungsgesetz zum Landesbesoldungsgesetz.

Nachdem auch er in seinem Eingangsstatement den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes dafür gedankt hatte, dass „sie uns alle durch die Krise getragen haben“, merkte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch bezogen auf seine Vorredner provokativ an: „Manche brauchen eine Krise um zu erkennen, was einen handlungsfähigen Staat ausmacht“. Dann verwies er auf das Positionspapier der SPD zum öffentlichen Dienst und erklärte: Entscheidend sei, welche zukunftsweisenden Maßnahmen für den öffentlichen Dienst nach der Wahl getroffen werden.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke betonte, es sei in erster Linie wichtig, dass es Wertschätzung und Unterstützung für den öffentlichen Dienst und seine Beschäftigten gibt. Dazu gehöre auch, dass es für gute Arbeit auch gutes Geld gebe. Gerade in Zeiten der Pandemie zeige sich, welche Schlüsselrolle dem öffentlichen Dienst zukomme: „Wir werden einen gut funktionierenden Gesundheitsdienst und eine gut funktionierende Verwaltung dringend zur Vorbereitung und im Anschluss zur Impfung gegen das Covid 19-Virus brauchen.

Es ist gute Tradition, dass der BBW im Verlauf der Herbstsitzung seines Landeshauptvorstands Politikern die Gelegenheit bietet, vor dem zweithöchsten Beschlussgremium der Organisation zu aktuellen politischen Entscheidungen, Vorhaben und Entwicklungen, die den öffentlichen Dienst betreffen,  Position zu beziehen und sich den Fragen der Delegierten zu stellen. Wenige Monate vor der Landtagswahl kommt dieser Veranstaltung eine besondere Bedeutung zu. Entsprechend war der Themenbereich, den BBW-Chef Kai Rosenberger im Anschluss an die Eingangsstatements mit vier Fragen an die Politiker im Saal eingrenzte.

Haushaltsbegleitgesetz 2013/2014

Die erste Frage betraf das Haushaltsbegleitgesetz 2013/2014, das beim BBW seit seiner Verabschiedung für Ärger und Verdruss gesorgt hat. Inzwischen haben Gerichte für Fakten gesorgt: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Absenkung der Eingangsbesoldung für verfassungswidrig eingestuft, das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die abgesenkte Einkünftegrenze für beihilfeberechtigte Ehegatten und Lebenspartner. Damit wurden bereits in letzter Instanz zwei Regelungen dieses Gesetzes kassiert. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe kommt zu dem Schluss, dass auch die Erhöhung der Kostendämpfungspauschale, eine dritte Regelung dieses Gesetzes, verfassungswidrig ist. Gegen diese Entscheidung hat das Land Berufung eingelegt. Vor diesem Hintergrund fragte BBW-Vorsitzender Rosenberger provokativ die Runde: „Muss denn jede einzelne Maßnahme erst vom obersten Gericht gekippt werden, bevor das Land einlenkt? Wäre es nicht sinnvoller, das gesamte Paket beamtenbezogener Sparmaßnahmen aus dem Haushaltsbegleitgesetz 2013/2014 zurückzunehmen ohne weitere Gerichte damit zu beschäftigen?

Die Antwort des CDU-Vertreters und der Oppositionspolitiker war eindeutig. Sie waren sich einig: Auch die restlichen beamtenbezogenen Sparmaßnahmen aus dem Haushaltsbegleitgesetz sollten zurückgenommen werden. CDU-Fraktions-Vize Blenke sprach gar vom „schlechtesten Gesetz aller Zeiten“. SPD-Fraktionschef Stoch erklärte, man sollte nicht immer abwarten, bis Gerichte den Weg weisen. FDP-Fraktionschef brachte es auf den Punkt: Handeln statt Reden sei angesagt. Grünen-Fraktionschef Schwarz hingegen reagierte ausweichend.

Arbeitszeit

Der zweite Fragenkomplex betraf die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten im Land. Der BBW fordert eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit. Unabhängig von dieser Forderung plädiert er für die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten, die als Einstieg in eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit dienen könnten.

Neben Andreas Schwarz von den Grünen fand Rosenberger für eine solche Regelung mit Thomas Blenke (CDU), Andreas Stoch (SPD) und Hans-Ulrich Rülke (FDP) weitere Verbündete. Schwarz wie Blenke sicherten zu, bei einer Regierungsbeteiligung 2021 Lebensarbeitszeitkonten in den Koalitionsvertrag aufzunehmen. Stoch und Rülke unterstrichen die Notwendigkeit entsprechender Arbeitszeitmodelle. Einig waren sich die Vertreter aller Fraktion, dass eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit im Beamtenbereich angesagt wäre, aber insbesondere aufgrund fehlenden Personals gegenwärtig kaum umgesetzt werden könne. Umso wichtiger sei es, mit Nachdruck bedarfsangepasste Arbeitszeitmodelle zu entwickeln und umzusetzen, sagte SPD-Fraktionschef Stoch. FDP-Fraktionschef Rülke nannte die BBW-Forderung auf Absenkung der Wochenarbeitszeit berechtigt und erklärte: Die Wochenarbeitszeit in einem ersten Schritt auf 40 Stunden zu reduzieren, „ein wäre Ziel für die nächste Legislatur“.

BVerfG-Beschlüsse zur Richterbesoldung

Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2020 zur Besoldung der Richter und Staatsanwälte in Berlin und Nordrhein-Westfalen sind bundesweit wegweisend für die Besoldungsgesetzgebung und damit auch für das Land Baden-Württemberg. Davon ist man beim BBW überzeugt. Denn diese Entscheidungen konkretisieren die verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine amtsangemessene Besoldung. Aus gutem Grund wünscht sich der BBW eine frühzeitige Einbeziehung bei einer Neugestaltung des Besoldungsgefüges. Wie sehen das die Fraktionen?

Die Reaktion der Politiker war hier eher zurückhaltend. Andreas Schwarz von den Grünen zog sich darauf zurück, dass die entsprechenden Urteile die Richterbesoldung betreffen und erklärte, bei der Bezahlung seiner Richter nehme das Land Baden-Württemberg einen vorderen Platz ein. CDU-Fraktions-Vize Thomas Blenke wurde etwas konkreter: Ob und gegebenenfalls welche Folgerungen sich aus diesen Entscheidungen für den Landesbereich ergeben, stehe noch nicht fest. Gegenwärtig müssten die Beschlüsse noch eingehend analysiert und ausgewertet werden. Danach werde zu prüfen sein, ob sich durch die neue Rechtsprechung des BVerfG Auswirkungen auf die Verfassungsmäßigkeit der Besoldung in Baden-Württemberg ergeben. SPD-Fraktionschef Stoch empfahl frühzeitiges Handeln und nichts erst auf weitere Urteile zu warten. Auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sprach von Handlungsbedarf. Schließlich gehe es um eine verfassungskonforme Alimentation im Beamten- und Versorgungsbereich. Der Regierung empfahl er, nicht nur das zu tun, was zwingend notwendig ist um der Verfassungsmäßigkeit gerecht zu werden.

Hamburger Modell und Bürgerversicherung

Der BBW plädiert für das Zusammenspiel von gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Denn diese Kombination stehe für ein weltweit anerkanntes leistungsfähiges Gesundheitssystem, sagt BBW-Chef Rosenberger. Eine Bürgerversicherung lehnt der BBW deshalb strikt ab. Auch das Hamburger Modell ist aus Sicht des BBW keine sinnvolle Alternative für Beamtinnen und Beamte, insbesondere weil es kein echtes Wahlrecht sei, da ausschließlich der Wechsel von der PKV in die GKV zugelassen werde und eben nicht umgekehrt.

Auch CDU-Fraktions-Vize Blenke und FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sehen beim deutschen Krankenversicherungssystem keinerlei Reformbedarf. Man war sich einig, dass sich das Miteinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung bewährt habe. Auch was das Hamburger Modell betrifft, teilen die Abgeordneten die ablehnende Haltung des BBW. Denn auch sie sind der Meinung, dass das Hamburger Modell der Einstieg in eine Bürgerversicherung sei.

Die Grünen und die Sozialdemokraten sind anderer Meinung. Grünen-Fraktionschef Schwarz und SPD-Fraktionschef Stoch machen sich für die Einführung des Hamburger Modells stark. Dies sei eine gute Alternative für alle, die nicht so viel Geld zur Verfügung hätten, argumentieren sie übereinstimmend. Beide sind auch Verfechter einer Bürgerversicherung. Doch eine entsprechende Neuordnung des Gesundheitssystems stehe hier nicht zur Debatte, sagt Schwarz. Das sei eine Bundesangelegenheit.