BBW-Spitzenvertreter bei Landrat des Rhein-Neckar-Kreises
Sicherstellung der Aufgabenwahrnehmung - einig über strategisches Ziel
Mit der Bewilligung von zusätzlichen Stellen ist es inzwischen nicht mehr getan. Diese bittere Erfahrung musste jetzt Stefan Dallinger, der Landrat des Rhein-Neckar Kreises, machen. Von zwanzig Bewerbern kehrten 15 der Kreisverwaltung den Rücken. Fünf Stellen bleiben zwangsläufig erstmal unbesetzt, berichtete Dallinger im Gespräch mit BBW-Chef Volker Stich und den stellvertretenden BBW-Vorsitzenden Waldemar Futter und Joachim Lautensack.
Beim BBW ist man über diese Entwicklung nicht überrascht. Der Mangel an qualifiziertem Nachwuchs für den öffentlichen Dienst zeichnet sich schon seit längerem ab. Für die BBW-Vertreter steht außer Frage: Mit der Absenkung der Eingangsbesoldung hat sich das Problem noch verschärft. Sie sind sich mit Landrat Dallinger einig: Gemeinsames strategisches Ziel muss die Sicherstellung der Aufgabenwahrnehmung sein.
Landrat Dallinger und BBW-Chef Stich waren am 9.06.2016 im Landratsamt in Heidelberg zusammengetroffen, um die aktuellen Herausforderungen für die Landes- und Kommunalpolitik in Baden-Württemberg zu erörtern. Im Zentrum der Unterredung stand neben der Nachwuchsproblematik die Bewältigung des Flüchtlingsstroms.
„Hier in den Landratsämtern haben wir fürs Land die Kohlen aus dem Feuer geholt“, so Landrat Dallinger. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rhein-Neckar-Kreis seien über Monate hinweg bis an ihre Grenzen gefordert gewesen. Es wäre ein fatales Signal, wenn das nächste Tarifergebnis im TV-L nicht zeit- und wirkungsgleich übertragen würde. Dem konnte Volker Stich vor dem Hintergrund seiner Gespräche mit anderen Landräten und Regierungspräsidenten nur zustimmen.
Der Rhein-Neckar-Kreis mit seiner für die Bewältigung des Flüchtlingsstroms bundesweit vorbildlichen Drehscheibe im Patrick-Henry-Village ist in besonderer Weise gefordert gewesen. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, jeder an seinem Platz, hätten sich der Aufgabe engagiert, kompetent sowie professionell gestellt und sie unter Anstrengung aller Kräfte bis heute gut und erfolgreich bewältigt, unterstrich Landrat Dallinger und Hans Werner, Dezernatsleiter I (Verwaltung/Schulen) und Christoph Schauder, Dezernatsleiter III (Ordnung/Gesundheit), pflichteten ihm unumwunden bei.
Dallinger ist stolz auf alle, die am Gelingen der Herkulesaufgabe beteiligt waren: Der Rhein-Neckar-Kreis habe die Ausnahmesituation gut bewältigt, – unter Anspannung aller Kräfte – seine Aufnahmequote stets vorbildlich erfüllt und insgesamt 6.800 Flüchtlinge aufgenommen. Diese zusätzliche Aufgabe mit zahllosen Bürgerinformationen und Bürgermeistergesprächen, mit der Einrichtung einer strategischen Stabsstelle und einem operativen Stab im Landratsamt, mit der Erstaufnahme im Drehkreuz Heidelberg durch Kreis, Land und Bund, mit Datenerfassung, Asylantrag und Gesundheitsuntersuchung, mit Freiwilligen aus dem Haus und zusätzlichen haupt- und ehrenamtlichen Kräften, in Kooperation mit den zuständigen Institutionen aus Bund und Land, dem Regierungspräsidium, den Kirchen… Deshalb sei das anfängliche Chaos nicht eskaliert, sondern wurde sukzessive erfolgreich bewältigt, sagt Dallinger und betont: Besonders hilfreich seien auf der Arbeitsebene die Unterstützung durch den Kreistag des Rhein-Neckar-Kreises mit seiner Ermächtigung im Haushalt, die Kooperation mit der Thorax-Klinik, der Jugendhilfe und den zahlreichen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern sowie insbesondere auch die Kooperation mit dem Regierungspräsidium gewesen. Die Landespolitik habe nach dem Besuch von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und nach der Übernahme wichtiger Zuständigkeiten durch das Innenministerium hilfreich agiert und reagiert.
Die Drehscheibe im Patrick-Henry-Village arbeitet sehr effizient, sagt Dallinger. Sie laufe rund – und sei jetzt, nachdem die großen Flüchtlingsströme der vergangenen Monate langsam verebbt seien, mit der Nachregistrierung und Gesundheitsüberprüfung bereits früher unregistriert aufgenommener Flüchtlinge aus anderen Landkreisen und Bundesländern voll ausgelastet. Die aufgebauten Kapazitäten würden weiter sinnvoll genutzt. Er spricht von einer beispielgebende Erfolgsgeschichte.
Rückblickend fasste Dallinger zusammen: Der politisch gewollte und humanitär notwenige zusätzliche Leistungsauftrag für die Landkreisverwaltung „Aufnahme und vorläufige Unterbringung der großen Zahl von Flüchtlingen“ hat gravierende Strukturänderungen und Nachjustierungen bei der Finanzierung durch den Kreistag, bei den internen Prozessen in Kooperation mit externen Institutionen, bei den Organisations-, Team- und Kompetenzstrukturen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie beim Aufbau eines effizienten Kommunikations- und Informationssystem für die teilweise sehr besorgte Bevölkerung notwendig gemacht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten sich bis an, manche temporär sogar über ihre Belastungsgrenzen eingebracht. 2015 habe sich aber auch deutlich gezeigt, wie schwierig es geworden sei, neue qualifizierte Verwaltungskräfte zu gewinnen: zehn zusätzliche Stellen habe der Kreistag für Absolventen der Verwaltungsfachhochschule Kehl bewilligt, 20 Zusagen habe die Landratsverwaltung erteilt, aber nur fünf aus diesem Kreis hätten ihren Dienst im Rhein-Neckar-Kreis angetreten. Für Dallinger tritt damit ein strategisches Ziel unwiderruflich in den Vordergrund: Erhalt der Leistungsfähigkeit der Kreisverwaltung! Denn: Auch alle übrigen Aufgaben der Landkreisverwaltung müssten, teilweise mit einiger Verzögerung, selbstverständlich gut, gesetzeskonform und bürgernah erledigt werden.
BBW-Chef Stich pflichtete dem Landrat Dallinger unumwunden bei: Die Entwicklung im Rhein-Neckar-Kreis zeige überdeutlich, wie schwierig es in den vergangenen Jahren geworden ist, qualifizierten Nachwuchs für den öffentlichen Dienst in Baden-Württemberg zu gewinnen: zuerst in der technischen Fachverwaltung, danach in den sozialen Bereichen und jetzt auch in der allgemeinen Verwaltung. Hauptursachen seien die seit Jahrzehnten andauernde schleichende Abkoppelung der Einkommen im öffentlichen Dienst von den Einkommen in der „freien“ Wirtschaft, verschärft durch die Alimentationspolitik des Landes seit 2011, insbesondere die gravierende Absenkung der Eingangsbesoldung im gehobenen und höheren Dienst, die massiven Absenkungsmaßnahmen in der Beihilfe, die zunehmende Abkehr von den früher gültigen Stellenschlüsseln…
Stefan Dallinger und Volker Stich sicherten sich gegenseitig zu, im Gespräch zu bleiben und sich in Zukunft gemeinsam für eine angemessene Alimentation der hoch motivierten und gut qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst in Baden-Württemberg einzusetzen.