Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung und Modernisierung des öffentlichen Dienstrechts
„Pension mit 70 im dienstlichen Interesse“ – solche Pläne lehnt der BBW rundum ab
Die Pläne der Landesregierung, eine freiwillige Weiterarbeit über die allgemeine Regelaltersgrenze hinaus ausschließlich nur dann zu genehmigen, wenn ein „dienstliches Interesse“ besteht, lehnt der BBW mit aller Entschiedenheit ab. Unter dieser Voraussetzung kommt für ihn auch eine freiwillige Weiterarbeit bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres nicht in Frage. Sinnvoller als den Rahmen für freiwillige Weiterarbeit im „dienstlichen Interesse“ auszuweiten, seien gute Rahmenbedingungen, um qualifizierte Nachwuchskräfte zu gewinnen. Deshalb müssten für neu eingestellte Beamtinnen und Beamte die Verschlechterungen bei der Besoldung sowie der Beihilfe umgehend zurückgenommen werden.
Der BBW – Beamtenbund Tarifunion (BBW) hat sich im Rahmen der Dienstrechtsreform 2010 entschieden für die freiwillige Weiterarbeit über die allgemeine Regelaltersgrenze hinaus eingesetzt. Dazu steht er nach wie vor. Doch das, was der Gesetzentwurf zur Änderung des Landesbeamtengesetzes und anderer Vorschriften mit dem Ziel der Weiterentwicklung und Modernisierung des öffentlichen Dienstrechts vorsieht, stößt beim BBW nur begrenzt auf Zustimmung. Positiv bewertet er die Rückführung der Sonderaltersgrenze für Beamtinnen und Beamte im Einsatzdienst der Feuerwehr auf Vollendung des 60. Lebensjahres sowie die vorgesehenen Verbesserungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Jedoch die Pläne, dienstliche Engpässe dadurch zu umschiffen, dass man verdiente Mitarbeiter bis zur Vollendung des 70. Lebensjahrs im Dienst hält, lehnt der BBW rundweg ab.
Freiwillige Weiterarbeit bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres
In seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf verweist der BBW auf die bisher bestehende Übergangsregelung (Anspruch auf Hinausschieben bis zum 68. bzw. 63. Lebensjahr für die Sonderaltersgrenzen in der Übergangszeit bis zum Ablauf des Jahres 2028), die Teil des Gesamtpaketes der „Offensive für freiwillige Weiterarbeit“ sei, in dessen Ausgestaltung seinerzeit entscheidende Impulse des BBW eingeflossen sind.
Vor diesem Hintergrund erinnert der BBW daran, dass man bei der Einführung durch das Dienstrechtsreformgesetz davon ausgegangen war, durch die Einführung der freiwilligen Verlängerung der Lebensarbeitszeit könne der Landeshaushalt entlastet werden. Der Einsparbetrag sei vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft bei der Einführung kumulativ von 2012 bis 2029 in Höhe von rund 185,9 Millionen Euro beziffert worden, das heißt rund 10,3 Millionen Euro pro Jahr. Es stelle sich daher die Frage, woraus dieses Einsparvolumen alternativ generiert werden soll, wenn die freiwillige Weiterarbeit zum einen jeweils nur noch bis zu einem Jahr beantragt werden kann und künftig stets im dienstlichen Interesse liegen muss.
Zur Begründung dieser Maßnahme wird in dem Gesetzentwurf ausgeführt, dass hierdurch im Hinblick auf den demografischen Wandel sichergestellt werden soll, dass das zur Aufgabenerledigung erforderliche Personal auch künftig zur Verfügung gestellt werden kann.
Diese Argumentation hält der BBW in vielerlei Hinsicht für in sich widersprüchlich. Die dargestellte Zielsetzung und Begründung widerspreche der Ausgestaltung der konkreten Regelungen. Einerseits sei – wie es in der Zielsetzung und auch in der Begründung heißt – in Fortführung der Offensive für freiwillige Weiterarbeit auf Antrag der Beamtinnen und Beamten die Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres grundsätzlich gewollt, gleichzeitig werde aber die Interessenlage vollständig umgekehrt (nur noch im dienstlichen Interesse anstelle eines entgegenstehenden dienstlichen Interesses). Auch könnte man vermuten, dass mit der vorgesehenen Veränderung nur diejenigen von der Regelung profitieren sollen, die dem Dienstherrn „genehm“ sind.
Dass die Verlängerung der Lebensarbeitszeit negative Begleiterscheinungen, wie die verzögerte Verfügbarkeit von Beförderungen und Verzögerung bei Stellenbesetzungen haben kann, ist nicht neu. Diesen „strukturellen“ Folgeproblemen muss nach Einschätzung des BBW jedoch mit anderen Maßnahmen (Stellenhebungen, Schaffung von Beförderungsstellen etc.) begegnet werden.
Insgesamt müsse die Landesregierung – sofern sie zu einer freiwilligen Verlängerung der Lebensarbeitszeit der öffentlich Beschäftigten steht – dieses Ziel auch durch geeignete, motivierende Maßnahmen unterstützen und nicht durch kontraproduktive Maßnahmen erschweren. Gerade im Hinblick auf die aktuellen Geschehnisse werde bewusst, welche Auswirkungen Personalmaßnahmen auch für die Zukunft haben können. In Bremen prüfe der Senat derzeit beispielsweise, ob aufgrund des eklatanten Personalmangels bei der Polizei Pensionäre für den Polizeidienst wieder „rekrutiert“ werden sollen. Und das Land Baden-Württemberg suche händeringend Interessierte unter den Pensionären aus allen Verwaltungsbereichen für Tätigkeiten in der Flüchtlingsverwaltung. An diesen Beispielen werde deutlich, dass personalwirtschaftliche Maßnahmen in der Vergangenheit heute nur mühsam ausgeglichen werden können und die aktuell beabsichtigten Maßnahmen durchaus dazu geeignet wären, die Personalnot und Personalbelastung weiter zu verstärken.
Rückführung der Sonderaltersgrenze für Beamtinnen und Beamte im Einsatzdienst der Feuerwehr auf Vollendung des 60. Lebensjahres
Die Rückführung der Sonderaltersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand kraft Gesetzes der Beamtinnen und Beamten des Einsatzdienstes der Feuerwehr und die damit zusammenhängenden Nebenregelungen auf den Rechtsstand vor der Dienstrechtsreform wird vom BBW ausdrücklich begrüßt. Die aufgeführten Argumente entsprechen im Wesentlichen unseren damaligen Argumenten zur Verhinderung dieser Rechtsänderung, heißt es in der Stellungnahme. Gleichzeitig erneuert der BBW seine Forderung, auch die anderen Sonderaltersgrenzen entsprechend zu überprüfen. Maßgebliche und entscheidungserhebliche Argumente, die heute für die Rückführung des alten Rechtsstandes bei der Feuerwehr angeführt werden, lassen sich eins zu eins auf ausgewählte operative Tätigkeiten des Polizeivollzugsdienstes, des allgemeinen Vollzugsdienstes sowie des Werkdienstes bei den Justizvollzugsanstalten übertragen. Eindringlich warnt der BBW davor, nur aus Kostengründen bei der Rückführung von Sonderaltersgrenzen unterschiedliche Maßstäbe anzulegen.
Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Der Gesetzentwurf sieht vor, die durch das am 1. Januar 2015 in Kraft getretene Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I. S. 2462) vorgenommen Änderungen mit Neuregelungen des Pflegezeitgesetzes und des Familienpflegezeitgesetzes wirkungsgleich und systemkonform in das Dienstrecht zu übertragen. Damit kommt der Gesetzgeber einer Forderung des BBW nach.
Nach der nun vorgesehenen Änderung in § 74 Abs. 1 LBG soll Beamtinnen und Beamten in einer akuten Pflegesituation oder zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung in dieser Zeit ein Anspruch auf bis zu zehn Arbeitstage Fernbleiben vom Dienst, davon 9 Arbeitstage unter Belassung der Bezüge gewährt werden. Damit soll das neu eingeführte so genannte Pflegeunterstützungsgeld für Beschäftigte im Sinne von § 7 Abs. 1 PflegeZG wirkungsgleich in das Dienstrecht übertragen werden. Das Pflegeunterstützungsgeld wird für bis zu 10 Arbeitstage je pflegebedürftigen nahen Angehörigen und in Höhe des so genannten Kinderkrankengeldes gewährt. Da das Kinderkrankengeld 90 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts beträgt, sollen Beamtinnen und Beamte entsprechend an 9 von zehn Arbeitstagen unter Belassung der Bezüge vom Dienst freigestellt werden können. Der BBW fordert hier aufgrund des Gleichklanges mit dem Arbeitnehmerbereich eine zehntägige Freistellung unter Belassung der Dienst- oder Anwärterbezüge.
Im Hinblick auf die durch das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf vom 23. Dezember 2014 vorgesehene Möglichkeit, dass Beschäftigte, welche Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Anspruch nehmen, einen Anspruch auf finanzielle Förderung in Form eines zinslosen Darlehens zur besseren Bewältigung des Lebensunterhalts während der Freistellung haben, ist in der Begründung ausgeführt, dass dies auch für Beamtinnen und Beamte in Form von Gehaltsvorschüssen ermöglicht werden soll. Dies begrüßt der BBW.
Kritik übt der BBW an dem vorgesehenen Zeitpunkt, nämlich dem 1. Januar 2016, zu dem die vorgesehenen Regelungen in Kraft treten sollen. Dies würde bedeuten, dass Beamte, die seit dem 1.1.2015 eine Dienstbefreiung unter Wegfall der Dienstbezüge in Anspruch genommen haben (§ 74 Abs. 1 LBG a. F.) erheblich schlechter gestellt würden, als alle Arbeitnehmer außerhalb und innerhalb des öffentlichen Dienstes im Land Baden-Württemberg. Da die genannten Arbeitnehmer und Tarifbeschäftigten bereits seit dem 1.1.2015 in den Genuss der Zehn-Tage-Pflegeregelung unter Gewährung von Pflegeunterstützungsgeld gekommen sind, fordert der BBW, dass das Inkrafttreten der hier in Rede stehenden Regelung für den Beamtenbereich des Landes rückwirkend auf den 1.1.2015 festgesetzt wird, wie diese beispielsweise in Bayern oder auch im Bund durch eine entsprechende Vorgriffsregelung geregelt werden soll.
Vereinheitlichung der Mindestquote für unterhälftige Teilzeitbeschäftigung
Mit der Vereinheitlichung der Mindestquote für unterhälftige Teilzeitbeschäftigung innerhalb und außerhalb der Elternzeit auf 25 % kommt der Gesetzgeber einer langjährigen Forderung des BBW nach. Nach wie vor sollte jedoch die Stellenbewirtschaftung (§ 3 Abs. 1 Staatshaushaltsgesetz 2015/2016) weiter flexibilisiert werden, damit Stellen ausgeschöpft werden können.
Ergänzend verweist der BBW auf seinen Forderungskatalog zur Weiterentwicklung und Modernisierung des öffentlichen Dienstrechts vom 28.3.2012, insbesondere auf die Forderung nach einer deutlichen Ausweitung der anrechenbaren Dienstzeiten, beispielsweise der Pflichtbeitragszeiten und Beschäftigungszeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes (Vordienstzeiten in der Privatwirtschaft, externe Ausbildungs- und Studienzeiten). Aktuell ist dieser Forderungskatalog auch bezüglich der 45-Jahre-Regelung um die Forderung nach der Übertragung des abschlagsfreien Rentenzugangs mit 63 nach 45 Beitragsjahren durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz auf die Beamtinnen und Beamte zu ergänzen.