21. Dezember 2015

Gedankenaustausch zur Flüchtlingsproblematik mit Tübinger Oberbürgermeister

Palmers Forderung an den Bund: Geld und ein Integrationskonzept

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer denkt mit Sorge an die kommenden Monate, wenn er für Hunderte von Flüchtlingen Wohnraum bereitstellen soll. „Das Schlimmste an der Sache ist, dass wir nicht wissen, für wieviel Personen wir planen müssen “, sagte er im Gespräch mit BBW-Chef Volker Stich und BBW-Vize Joachim Lautensack. Zugleich forderte er vom Bund finanzielle Unterstützung und ein Integrationskonzept. Für Palmer ist klar, dass wir helfen können und müssen. Wie wir das tun, ist für ihn die Frage

Die Unterredung, an der auch BBW-Justitiarin und Geschäftsführerin Susanne Hauth teilnahm, fand am 11.12.2015 im historischen Rathaus von Tübingen statt. Zuvor hatte die BBW-Delegation bereits mit dem Präsidenten des Gemeindetags, dem Heidelberger Oberbürgermeister, den Spitzen des Städte- und Landkreistags sowie Landrat Pauli die Flüchtlingsproblematik erörtert.

Die Kommunen sind das letzte Glied in der Flüchtlings-Versorgungs-Kette. Während die Beschäftigten in den Landeserstaufnahmestellen seit Monaten mit der Registrierung und Erstversorgung der täglich neu ankommenden Flüchtlinge kaum fertig werden, die Stadt- und Landkreise wo immer es geht Personal abzweigen und auf das Engagement von Ehrenamtlichen angewiesen sind, um den Menschen eine vorläufige Bleibe zu schaffen, steht den Kommunen die eigentliche Bewährungsprobe noch bevor. Sie müssen Wohnraum schaffen für all jene, die eine Bleibeberechtigung erhalten. Darüber hinaus sind sie zuständig für deren Integration.

In Tübingen rechnet man inzwischen damit, dass die Stadt in den kommenden beiden Jahren Wohnraum für rund 2000 Asylbewerber zur Verfügung stellen muss. Dies bedeute ein Investitionsprogramm von rund 50 Millionen Euro, rechnet Palmer vor. Zugrunde gelegt hat er dabei pro Person 25 000 Euro auf der Basis eines Quadratmeterpreises von 2.000 Euro Baukosten und eines Bedarfs von 12 Quadratmeter pro Person. „Zusätzliche Kosten in dieser Höhe schaffen die Kommunen nicht“, sagt Palmer.

Die Kosten sind nur eines von vielen Problemen, mit denen die Kommunen aufgrund des Flüchtlingszustroms zu kämpfen haben. Wer Wohnraum schafft, muss Vorschriften berücksichtigen und Standards einhalten. Das ist kaum zu machen, wenn die Zeit drängt. Deshalb drängt Tübingens Oberbürgermeister auf den Abbau hemmender Standards, beispielsweise eine Lockerung beim Retentionsausgleich.

Eine herausragende Aufgabe ist für Oberbürgermeister Palmer die Integration der Flüchtlinge. Dazu gehört für ihn neben dem Erlernen der Sprache und der Heranführung an die europäische Kultur die Qualifizierung für einen Beruf. Sein strategischer Ansatz sei „fordern und fördern“. Auch hier sieht Palmer den Bund in der Pflicht. Nach seiner Vorstellung sollte eine Brücke zwischen Asyl und Einwanderung geschaffen werden. Er denkt dabei an ein Investitionsprogramm, anhand dessen Flüchtlinge über eine Qualifizierung an den Arbeitsmarkt herangeführt werden, um dann mit Erlangen eines Beschäftigungsverhältnisses in die Einwanderung zu wechseln.

Einen Mangel an Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, die sich um Flüchtlinge kümmern, befürchtet Tübingens Oberbürgermeister nicht. Deutlich schwieriger sei es, Verwaltungsfachleute zu finden, sagte Palmer gegenüber der BBW-Delegation