Gespräch mit Amtsspitzen des Innen- und des Finanzministeriums
Öffnung der Hinzuverdienstgrenze: Kritik an der Verfahrensweise ist angekommen
Die Kritik an der Verfahrensweise ist angekommen. Mit der Forderung des BBW nach klarer Definition, für wen die freiwillige Weiterarbeit bis 70 und für wen die Öffnung der Hinzuverdienstgrenze gelte, sieht es anders aus. Die wiesen die Ministerialdirektoren des Innenministeriums (IM) und des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft (MFW) im Gespräch mit BBW-Chef Volker Stich, BBW-Vize Joachim Lautensack und BBW-Geschäftsführerin und Justitiarin Susanne Hauth zurück. Zur Bewältigung des Flüchtlingszustroms äußersten sich beide zuversichtlich.
Die Unterredung, die am 17.12.2015 im Finanzministerium stattgefunden hat, war auf Initiative von Dr. Herbert Zinell (IM) und Rolf Schumacher (MFW) zustande gekommen. Anlass war die Kritik des BBW-Vorsitzenden an den parallel entstandenen Gesetzentwürfen zur freiwilligen Verlängerung der Lebensarbeitszeit und der Öffnung der Hinzuverdienstgrenze bei einer Beschäftigung im Ruhestand.
Freiwillige Verlängerung der Lebensarbeitszeit/Beschäftigung im Ruhestand
Es war Anfang November, als der BBW-Vorsitzende der Sonntagszeitung entnahm, dass das Kabinett zwei Tage später einen Gesetzentwurf des Finanzministeriums zur Öffnung der Hinzuverdienstgrenze bei einer Beschäftigung im Ruhestand beraten und verabschieden wolle. Sein Ärger, dass Grün-Rot es mal wieder nicht für nötig hielt, den BBW bei dieser wichtigen Angelegenheit frühzeitig einzubinden, hat sich aber bis zum heutigen Tage nicht gelegt. Entsprechend äußerte sich BBW-Chef Stich gegenüber den Amtsspitzen des Innenministeriums und des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft. Es sei ärgerlich, dass der BBW im Vorfeld keine Möglichkeit gehabt habe, seinen Sachverstand einzubringen. Dann hätte man frühzeitig darauf hingewiesen, dass es eine Abgrenzung geben müsse zwischen der Frage der freiwilligen Weiterarbeit bis 70 einerseits und andererseits der Frage, für wen die Öffnung des Hinzuverdienst gelte. Es könne nicht sein, dass derjenige finanziell schlechter gestellt ist, der sich für eine freiwillige Weiterarbeit bis 70 entscheidet, als jener, der sich in den Ruhestand versetzen lässt, um sich kurz darauf auf der Grundlage des noch zu verabschiedenden Gesetzes zur Änderung des Landesbeamtenversorgungsgesetzes Baden-Württemberg (§ 68 LBeamtVGBW) wieder anstellen zu lassen.
Ministerialdirektor Schumacher bedauerte zwar die Verfahrensweise, die Kritik an der Sache ließ er allerdings nicht gelten. Er vertrat den Standpunkt, die Freigabe des Hinzuverdienstes hänge davon ab, dass bei der im Ruhestand aufzunehmenden Tätigkeit schriftlich festgestellt wird, dass sie aus dringenden öffentlichen Belangen oder dringenden dienstlichen Interessen erfolgt. Dies stehe bei der Pensionierung noch nicht fest und hänge im Übrigen auch von der Entscheidung des Dienstherrn ab. Die einzelnen Betroffenen müssten sich daher entscheiden, ob sie ihre Lebensarbeitszeit freiwillig verlängern wollten oder im Gegensatz dazu einen unsicheren Weg wählen wollten (Anmerkung: vgl. hierzu DS 15/7846).
Beide Ministerialdirektoren gegen im Übrigen davon aus, dass sich die Lage, insbesondere die zugespitzte Personalknappheit aufgrund des Flüchtlingszustroms, entspannen wird. Laut ihren Angaben haben sich im Kultusbereich bislang 350 Pensionäre zurückgemeldet, im übrigen Bereich rund 100.
Bewältigung des Flüchtlingszustroms
Als eines der großen Probleme im Zusammenhang mit dem Flüchtlingszustrom bezeichneten Ministerialdirektor Schumacher und Ministerialdirektor Dr. Zinell den Datentransport, sowohl in technischer als auch in rechtlicher Hinsicht. Eine Verbesserung verspreche man sich durch ein jetzt startendes Pilotprojekt, das einen bundesweit einheitlichen Flüchtlingsausweis beinhaltet. Auf diesem Ankunftsnachweis sind die persönlichen Daten des Flüchtlings sowie ein biometrisches Passfoto enthalten. Über einen Barcode sind auf diesem Dokument insbesondere die personenbezogenen Daten maschinell auslesbar hinterlegt. Ein weiteres Ziel sei, so die Ministerialdirektoren, Daten zur Ausbildungssituation zu erfassen.
Lob zollten beide Ministerialdirektoren den öffentlich Beschäftigten. Dr. Zinell erklärte, er sei stolz auf die baden-württembergische Landesverwaltung. Hier zeige sich, dass sich die Verwaltung in Krisenzeiten bewährt. Auch die eingesetzte Lenkungsgruppe mit Kabinettsauftrag habe sich bewährt. Einen Engpass gebe es allerdings noch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Dort gebe es nach wie vor zu wenig Entscheider. So gelinge dem Land beispielsweise in der Erstaufnahmestelle im Patrick-Henry-Village in Heidelberg eine taggenaue Registrierung. Bei der Asylantragsstellung, für die das BAMF zuständig ist, werde mehr Zeit benötigt. Zur Verfahrensbeschleunigung teile das BAMF in Heidelberg die Asylbewerber nun bereits vor der Antragstellung in drei Gruppen auf. Ziel sei es, Asylanträge mit geringer Komplexität aus sicheren und unsicheren Herkunftsländern innerhalb von 24 bis 48 Stunden abschließend zu bearbeiten. Dies gelte zum einen für Flüchtlinge mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit, die in der Regel aus Bürgerkriegsländern kommen und zum anderen für Flüchtlinge aus Ländern mit geringer Bleibewahrscheinlichkeit, beispielsweise aus dem Westbalkan. Diese beiden Gruppen machten derzeit etwa die Hälfte des Flüchtlingszugangs nach Baden-Württemberg aus. Bei Flüchtlingen der dritten Gruppe aus Herkunftsländern mit unklarer Bleibeperspektive sei nach wie vor eine differenzierte Prüfung nötig, die entsprechend mehr Zeit in Anspruch nehme.