Tagung der Landesfrauenvertretung – diesmal digital
Fazit: Es gibt viel Spielraum für Verbessungen
- Foto: BBW Virtuelle Landesfrauentagung 2021
Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas. Sie legt schonungslos offen, wo etwas im Argen liegt, auch im öffentlichen Dienst. Gravierende Defizite bei der Digitalisierung und daraus resultierende Folgen wurden offenkundig, aber vieles andere auch. Bei der Tagung der Landesfrauenvertretung des BBW, die am 1. Februar – wie in diesen Tagen üblich – virtuell stattgefunden hat, sagte Vorsitzende Heidi Deuschle was Sache ist: Die Frauen schultern im Homeoffice die außergewöhnliche Doppelbelastung von Beruf und Familie und tragen maßgeblich dazu bei, dass der öffentliche Dienst auch während der Pandemie reibungslos funktioniert.
Zugleich warf Deuschle der Politik im Land vor, dass sie die Interessen berufstätiger Frauen nicht mit dem nötigen Nachdruck verfolge. Als Beispiel dafür nannte sie das Chancengleichheitsgesetz, das aus gutem Grund in der Kritik stehe und dringend novelliert gehöre. Auch was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betreffe, gebe es noch viel Spielraum für Verbesserungen.
Das Chancengleichheitsgesetz und der umfassende Themenbereich „Vereinbarkeit von Beruf und Familie waren auch Gegenstand der Gesprächsrunde, zu der die Landesfrauenvertretung die frauenpolitischen Sprecherinnen der Landtagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, der CDU und der SPD sowie den frauenpolitischen und Sprecher der FDP- Landtagsfraktion eingeladen hatten. Im Detail ging es hier um die Arbeitszeit, Erziehungs- und Pflegezeiten und generell um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Thema war zudem die Mütterrente, deren Übertragung auf den Beamtenbereich zu den zentralen Forderungen des BBW und seiner Landesfrauenvertretung gehört.
Alle am Gespräch beteiligten Politikerinnen und Politiker zeigten großes Verständnis für die Forderungen und Wünsche der BBW-Frauenvertreterinnen.
Arbeitszeit
Dorothea Wehinger, die frauenpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, räumte ein, dass die Interessen der Frauen, die Familie und Beruf unter einen Hut bringen müssen, während der Pandemie vielfach zu kurz gekommen seien. Zugleich versicherte sie aber auch, dass ihr und ihren Parteifreunden bewusst sei, dass man den Ausbau von Betreuungsplätzen für Kleinkinder, Kindergartenkinder sowie Schülerinnen und Schüler vorantreiben müsse. Hier hinke man dem Bedarf hinterher. Keinerlei Hoffnung machte sie hingegen auf grundlegende Verbesserungen bei der Arbeitszeit. Für die Grünen sei eine Reduzierung der 41-Stunden-Woche im Beamtenbereich gegenwärtig nicht machbar. Allerdings unterstütze ihre Fraktion als Ausgleich die Einrichtung von Lebensarbeitszeitkonten.
Claudia Martin, die frauenpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, argumentierte ähnlich. Eine Abkehr von der 41-Stunden-Woche im Beamtenbereich sei gegenwärtig nicht möglich, insbesondere auch aufgrund des Personalmangels im öffentlichen Dienst, der sich bedingt durch die anstehende Pensionierungswelle noch verstärken werde. Bei der CDU sei man sich bewusst, dass der Faktor Arbeitszeit entscheidend zur Attraktivität eines Arbeitsplatzes beitrage. Weil eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit aber derzeit nicht durchführbar sei, mache sich auch ihre Fraktion für die Einrichtung von Lebensarbeitszeitkonten stark.
Sabine Wölfle, die frauenpolitische Sprecherin der SPD, wies auf die schwierige Lage der Politik hin, die entscheiden müsse zwischen dem sicher berechtigten Wunsch der Beamtinnen und Beamten nach Reduzierung der Wochenarbeitszeit und den dadurch verstärkten Folgen durch Personalmangel. Die Arbeitsgruppe öffentlicher Dienst ihrer Fraktion habe sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Sie schlage vor, die 41. Stunde, eventuell auch die 40. Stunde der Wochenarbeitszeit auf einem Lebensarbeitszeitkonto gutzuschreiben. Zudem sprach sich Wölfle mit Blick auf eine bessere Vereinbarung von Beruf und Familie dafür aus, auch im öffentlichen Dienst die Einrichtung von mobilen Arbeitsplätzen ebenso zu überdenken wie die Möglichkeit betriebliche Kindergärten einzurichten.
Jochen Haußmann, der frauenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, erinnerte daran, dass 2003 die Erhöhung der Wochenarbeitszeit im Beamtenbereich mit dem Passus versehen worden sei, „wenn es wieder besser wird, wird es wieder weniger“. Geschehe sei allerdings nichts, obwohl die Zeiten besser geworden seien. Wie seine Vorrednerinnen sprach sich auch Haußmann zum gegenwärtigen Zeitpunkt für die Einrichtung von Lebensarbeitszeitkonten aus. Um mehr Flexibilität zu schaffen, plädiere seine Fraktion dafür, die 41. Wochenarbeitszeitstunde in einem Lebensarbeitszeitkonto gutzuschreiben. Wichtig war es Haußmann zudem, die Leistungen des öffentlichen Dienstes während der Corona-Pandemie hervorzuheben.
Mütterrente
Beim Thema Mütterrente scheiden sich die Geister. Dorothea Wehinger von den Grünen bestätigte zwar, dass es einige Frauen gibt, die aufgrund der langen Beurlaubungszeiten schlecht versorgt sind. Dies wird aber durch die Mindestversorgung aufgefangen. Deshalb gibt es aus Sicht der Grünen keinen Grund die Mütterrente im Beamtenbereich einzuführen
Geradezu konträr äußerte sich die Vertreterin der CDU. Claudia Martin erinnerte daran, dass die CDU bereits 2019 sich in einem parlamentarischen Antrag für die Übertragung der Mütterrente auf den Beamtenbereich ausgesprochen habe. Zugleich versprach sie: „Wir bleiben an dem Thema dran.“
Bei der SPD werde das Thema Mütterrente ergebnisoffen geführt, sagte Sabine Wölfle. Sie sprach in dieser Angelegenheit von „großer Sympathie bei der Landes-SPD“ und versicherte, dass sie sich selbst für die Übertragung der Mütterrente auf den Beamtenbereich stark mache.
Der Vertreter der FDP äußerte sich zurückhaltend. Die FDP halte eine Übertragung der Mütterrente auf den Beamtenbereich für kritisch, sagte Jochen Haußmann. Sie passe nicht ins System.
Erziehungszeiten, Pflegezeiten, Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Die Pandemie hat die althergebrachten Rollenbilder innerhalb der Familie neu belebt. In diesen Zeiten waren und sind es vorwiegend die Frauen, für die Kinderbetreuung, Homeschooling und Haushalt nahezu selbstverständlich neben dem Homeoffice stattfindet (Ausnahmen bestätigen die Regel). Eine gelebte Chancengleichheit habe durch Corona einen Rückschritt erlitten, formulierte es Dorothea Wehinger von den Grünen. Zwar liefere das Chancengleichheitsgesetz eine gute Grundlage, um im Berufsleben der Gleichstellung von Frauen den Weg zu ebnen. Doch bedauerlicherweise hapere es vielfach an der Umsetzung.
Claudia Martin von der CDU wurde konkreter. Sie sagte beispielsweise, dass bei Erziehungszeiten beide Elternteile gleichbehandelt werden müssten. Es sei an der Zeit veraltete Rollenbilder neu zu überdenken. Zugleich wies sie aber auch darauf hin, dass die Prägung von Rollenbildern vor allem zuhause erfolge. Auf die Arbeit in der Pflege eingehend sagte Martin, hier seien vor allem Frauen tätig, sowohl im häuslichen Bereich als auch in Pflegeeinrichtungen. Der Grund liege auf der Hand: Arbeiten in den so genannten Care-Berufen sei aufgrund der Bezahlung und der Arbeitsbedingungen wenig attraktiv.
Die frauenpolitische Sprecherin der SPD sprach sich für eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte aus. Doch damit allein sei es nicht getan, sagte Sabine Wölfle. Zudem müsse die Betreuung der Kinder auch entsprechend den anfallenden Arbeitszeiten in der Pflege gesichert sein.
Soweit es die Pflege betrifft pflichtete ihr Jochen Haußmann von der FDP bei. Ein wichtiger Baustein zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für ihn aber auch das Vorantreiben der Digitalisierung und damit einhergehend ein vermehrtes Angebot für mobiles Arbeiten.
Chancengleichheitsgesetz
Das Gesetz zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst von Baden-Württemberg ist seit 2016 in Kraft. Doch leider hat dieses Gesetz die Erwartungen nicht erfüllt. Von einem „zahnloser Papiertiger“ ist immer wieder die Rede. Die gesetzlichen Vorgaben würden nicht ernstgenommen und schon gar nicht gelebt, lautet die Kritik. „Hier muss ein Umdenken stattfinden,“ fordert die Vorsitzende der Landesfrauenvertretung. Sie setzt auf eine Novellierung des Gesetzes, die die gesetzlichen Lücken schließt. Denn Heidi Deuschle ist überzeugt, dass der öffentliche Dienst in Sachen Chancengleichheit eine Vorreiterrolle einnehmen sollte. Deshalb forderte sie Antworten der Gesprächsrunde auf die drei Fragen ein: Für wie wichtig halten Sie dieses Gesetz? Wie steht ihre Partei zu den Grundsätzen, die dieses Gesetz vertritt? Werden Sie die Novellierung in der nächsten Legislaturperiode befürworten?
Alle am Gespräch Beteiligten waren sich einig, dass das Chancengleichheitsgesetz zwar im Ansatz gut und richtig sei, doch Klarstellungen und Nachbesserungen dringend erforderlich seien. Alle kritisierten, dass die Evaluation des Gesetzes sich so lange hinausgezogen habe und sich damit auch eventuelle Nachbesserungen verzögerten.
Im Vorfeld der Gesprächsrunde mit den frauenpolitischen Sprecherinnen von Grünen, CDU und SPD sowie dem frauenpolitischen Sprecher der FDP hatte BBW-Chef Kai Rosenberger zur aktuellen politischen Lage Stellung genommen und über die Aktivitäten des BBW berichtet.
Danach hatte Milanie Kreutz, die neue Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, den Vertreterinnen der Landesfrauenvertretung erläutert, welche Themen auf der Agenda stehen. Hierzu gehören in erster Linie Frauenpolitik in Corona-Zeiten, die Gleichstellungsstrategie, Frauen in Führungspositionen, dienstliche Beurteilungen und eine gendergerechte Steuerpolitik.