12. Februar 2019

Einkommensrunde öffentlicher Dienst 2019

Den Druck erhöhen heißt die Devise: Mehr als 1.000 Beschäftigte gehen in Stuttgart auf die Straße

Mehr als 1.000 öffentlich Beschäftigte sind heute (12.02.2019) in Stuttgart auf die Straße gegangen, um der Forderung ihrer Gewerkschaft nach deutlichen Einkommensverbesserungen Nachdruck zu verleihen. Zu landesweiten Warnstreiks und der Protestveranstaltung in Stuttgart haben der deutsche und der baden-württembergische Beamtenbund Tarifunion gemeinsam aufgerufen.

Aus dem ganzen Land waren Polizisten, Lehrerinnen und Lehrer, Beschäftigte aus der Finanzverwaltung, aus dem Justizbereich, der allgemeinen Verwaltung und der technischen Fachverwaltung angereist, allesamt Tarifbeschäftigte des Landes, die sich nahe dem Hauptbahnhof sammelten, um dann in einem langen Protestzug durch die Stuttgarter Innenstadt zum Schlossplatz zu ziehen. Unterstützt wurden sie von Beamtinnen und Beamten, die in ihrer Mittagspause zu ihnen stießen, um gemeinsam auf der Straße den Druck auf die öffentlichen Arbeitgeber zu erhöhen. Solidarisch zeigten sich auch viele Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten. Alle gemeinsam machten ihrem Ärger darüber Luft, dass die Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TDL) sich auch in der zweiten Verhandlungsrunde am 6. und 7. Februar in Potsdam darauf beschränkt haben, die Gewerkschaftsforderung als maßlos überzogen abzulehnen, ein eigenes Angebot aber verweigerten.

Bei der Abschlusskundgebung auf dem Schlossplatz sagten dann dbb-Tarifchef Volker Geyer und der BBW-Vorsitzende Kai Rosenberger, was sie von der Verweigerungshaltung der Arbeitgeberseite halten. 

„6 Prozent mehr Geld, mindestens aber 200 Euro – diese Forderung ist mehr als gerecht“, rief Rosenberger den Versammelten auf dem Schlossplatz zu. Spätestens Anfang März wolle man ein Ergebnis sehen, „das stimmig ist und zu dem wir Ja sagen können“. Die öffentlich Beschäftigten hätten ein Recht auf Teilhabe an der allgemeinen Einkommensentwicklung, sagte der BBW-Vorsitzende. Zudem verwies er auf die vielen unbesetzten Stellen in der Landesverwaltung, die mangels qualifizierter Bewerber verwaist blieben. Und er warnte: Die öffentlichen Arbeitgeber täten gut daran, endlich auch der Situation auf dem Arbeitsmarkt Rechnung zu tragen. Nur wer attraktive Gehälter und flexible Arbeitszeiten biete, habe eine Chance bei potentiellen Bewerbern zu punkten.

Zugleich wandte sich Rosenberger mahnend an die Landesregierung: Das Tarifergebnis 2019 müsse zeitgleich und systemgerecht auf die Beamtinnen und Beamten sowie die Versorgungsempfänger übertragen werden, sprich inklusive der strukturellen Verbesserungen auch außerhalb der linearen Erhöhung. Die Zeiten seien vorbei, in denen man Tarifergebnisse mit erheblicher Verzögerung auf die Beamtinnen und Beamten übertragen konnte – nur um den Haushalt zu entlasten. „Dies ist inzwischen verbrieftes Recht“, rief der BBW-Vorsitzende der Menge auf dem Schlossplatz zu und erinnerte an die entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2017.

Die Regierung Kretschmann aber erinnerte Rosenberger daran, dass sich Baden-Württemberg im 11. Jahr in Folge im wirtschaftlichen Aufschwung befinde. Zu diesem Aufschwung hätten die Beamtinnen und Beamte ihren Teil beigetragen. Gedankt habe man ihnen dies mit verzögerten Besoldungsanpassungen und zusätzlichen fünf Beamten-Sondersparopfern unter Grün-Rot. „Bis jetzt waren wir noch nett und freundlich. Doch wir können auch anders“, warnte Rosenberger. Er verwies auf den Nachtragshaushalt 2018/2019 und merkte süffisant an: 2,4 Milliarden waren offensichtlich noch nicht genug, um auch nur die dringendsten unserer Forderungen zu erfüllen. Radschnellwege seien dieser Regierung wichtiger gewesen als eine faire und gerechte Bezahlung der eigenen Mitarbeiter. „Wir haben genug von der gepredigten Wertschätzung“, heizte der BBW-Vorsitzende die Stimmung auf dem Schlossplatz an: „Wir machen gute Arbeit, die ihren Preis hat und wir sind diesen Preis auch wert.“

Der stellvertretende Vorsitzende des dbb beamtenbund und tarifunion und dbb-Tarifchef Volker Geyer argumentierte ähnlich. Mit deutlichen Worten verteidigte er die Einkommensforderung der Gewerkschaften: Das Argument der Arbeitgeber, unsere Forderung raube ihnen Geld für wichtige Investitionen, sei Unsinn. „Gute Tarifpolitik ist die beste Investition in die Zukunft. Wenn nicht in Lehrkräfte, Polizisten, Erzieherinnen, IT-Fachkräfte oder Ingenieure – in wen oder was will Baden-Württemberg denn sonst investieren“, sagte Geyer. Vor dem Hintergrund des Personalmangels im öffentlichen Dienst, der sich aufgrund demografischer Faktoren künftig noch verstärken werde, sei es unabdingbar, jetzt die Voraussetzungen für attraktive berufliche Perspektiven zu schaffen, die neues Personal nicht nur anlocken, sondern auch binden könne. „Die kontinuierlich positive Entwicklung der Länderhaushalte der vergangenen Jahre spricht dafür, und das fordern wir jetzt ein!“

 

Hintergrund:

Von den Verhandlungen über den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) sind in Baden-Württemberg mehr als 442.800 Beschäftigte betroffen: über 129.000 Tarifbeschäftigte des Landes sowie über 313.600 Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter sowie Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger des Landes, auf die der Tarifabschluss übertragen werden soll. Der nächste Verhandlungstermin ist für den 28. Februar/1. März 2019 (Potsdam) vereinbart.

 

Kernforderungen des dbb:

6 Prozent mehr Einkommen, mindestens 200 Euro (Laufzeit: 12 Monate). Eine angemessene und zukunftsfähige Entgeltordnung für den TV-L. Die Erhöhung der Pflegetabelle um 300 Euro. Ein Fahrplan für die Einführung der Paralleltabelle im Bereich der Lehrkräfte. Stufengleiche Höhergruppierung. 100 Euro mehr für Auszubildende und unbefristete Übernahme.