Einführung von Lebensarbeitszeitkonten
BBW mahnt konstruktive Zusammenarbeit der Ministerien an
- Foto: BBW (von links): Marlene Bolz, Referentin im Referat Dienstrecht (IM); Dr. Simone Kontusch, Leiterin Referat Dienstrecht (IM); Ministerialdirigent Dr. Reinhard Klee, Leiter der Abteilung 1 (IM); BBW-Chef Kai Rosenberger; Andreas Mathäs, Leiter Personalreferat (IM); Susanne Hauth, Justiziarin und Geschäftsführerin beim BBW
Der öffentliche Dienst hat Nachwuchsprobleme. Das lässt sich längst nicht mehr schön reden. Um potenzielle Bewerber zu binden, wäre Handeln angesagt. Doch daran mangele es, kritisiert BBW-Vorsitzender Kai Rosenberger im Zusammenhang mit der Diskussion um Lebensarbeitszeitkonten für baden-württembergische Beamtinnen und Beamte.
Die baden-württembergischen Grünen und Christdemokraten wollen dem Nachwuchsproblem in öffentlichen Dienst mit der Einführung von Lebensarbeitszeitkonten begegnen. Im Gespräch sind Lebensarbeitszeitkonten nach dem Vorbild Hessens. Doch laut einem Bericht der Stuttgarter Zeitung vom 1. August 2019 sind entsprechende Vorschläge bereits auf der Verwaltungsebene ins Stocken geraten, weil Innen- und Finanzministerium sich gegenseitig die Zuständigkeit zuschieben. BBW-Chef Kai Rosenberger hätte für solcherlei Verhalten kein Verständnis. Er appelliert an die Spitzen beider Häuser, konstruktiv zusammenzuarbeiten, damit wenigstens ein Baustein zur Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Dienstes in absehbarer Zeit an den Start gehen kann.
Seit September 2003 gilt für baden-württembergische Beamtinnen und Beamte die 41-Stunden-Woche. Tarifbeschäftigte im Landesdienst und bei den Kommunen sind da besser dran. Sie haben eine Wochenarbeitszeit von 39,5 Stunden beziehungsweise 39 Stunden. Im Klartext bedeutet dies: Beamtinnen und Beamte müssen Woche für Woche für ihr Gehalt 90 Minuten länger arbeiten als ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Tarifbereich des Landes.
Dieser Sachverhalt ist den Verantwortlichen beim BBW schon lange ein Dorn im Auge. Und so steht die Forderung nach Anpassung der Wochenarbeitszeit im Beamtenbereich an die Wochenarbeitszeit im Tarifbereich ganz oben auf dem Forderungskatalog des BBW. Das hat BBW-Chef Kai Rosenberger erst kürzlich wieder im Gespräch mit Ministerialdirigent Reinhard Klee, dem Leiter der Abteilung 1 im Innenministerium, unterstrichen. Für Rosenberger steht fest: Lebensarbeitszeitkonten nach dem Vorbild Hessens sind momentan zwar ein Baustein zur Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Dienstes. Sie können jedoch lediglich eine Zwischenlösung sein mit dem Ziel der tatsächlichen Absenkung der Wochenarbeitszeit.
Im Übrigen setzt der BBW auf Lebensarbeitszeitkonten, die auf Freiwilligkeit beruhen, nicht mit einer Einsparverpflichtung verbunden, dafür aber mit der verbindlichen Zusage verknüpft sind, dass die Wochenarbeitszeitzeit nicht erhöht wird. Unabdingbar ist auch die Verlässlichkeit. Angesparte Stunden dürfen nicht verfallen. Hier braucht es unbedingt Rechtssicherheit.
Zwar hatten sich Grüne und CDU im Koalitionsvertrag auf die Erarbeitung von Modellen für Lebensarbeitszeitkonten verständigt. Doch erst mit Beginn dieses Jahres hat das Thema in der Politik an Fahrt aufgenommen – unter der Rubrik „Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Dienstes“. In der CDU-Landtagsfraktion wurde ein entsprechendes Papier erarbeitet. Die Bündnisgrünen hatten Anfang Juli zu einem Fachgespräch zum Thema Lebensarbeitszeitkonten eingeladen.
Grünen-Fraktionsvize Thekla Walker bekannte gegenüber der Stuttgarter Zeitung: „Das Thema Lebensarbeitszeitkonto ist für uns eine Stellschraube, mit der wir die Attraktivität des öffentlichen Dienstes erhöhen wollen.“ Und CDU-Fraktionsvize Thomas Blenke erklärte gegenüber dem Blatt: Eine generelle Reduzierung der Wochenarbeitszeit für Beamte sei aktuell kein Thema. „Aber die 41. Wochenstunde auf ein Lebensarbeitszeitkonto zu nehmen, dazu sind wir bereit.“
BBW-Chef Rosenberger hat in den zurückliegenden Wochen mit den Spitzen der Regierungsfraktionen von Grünen und CDU sowie mit Spitzenvertretern der SPD-Landtagsfraktion das Thema Lebensarbeitszeitkonten erörtert und in all den Gesprächen darauf hingewiesen, dass für seine Organisation die Korrektur der Besoldung in den Besoldungsgruppen A5 und A6 Priorität habe, genauso wie die Reduzierung der Wochenarbeitszeit und die Rücknahme der Beihilfeverschlechterungen aus dem Jahr 2013. Zugleich signalisierte er aber auch Zustimmung zur Einführung von Lebensarbeitszeitkonten in Anlehnung an das Hessen-Modell, sozusagen als Einstieg in die Reduzierung der Wochenarbeitszeit. In Hessen gilt für Beamtinnen und Beamten wie in Baden-Württemberg die 41-Stunden-Woche. Ihnen wird jedoch eine Arbeitsstunde pro Woche auf einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben.
Sollte sich die baden-württembergische Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen auf eine Einführung von Lebensarbeitszeitkonten nach dem hessischen Modell verständigen, wäre dafür, wenn auch nicht gleich, zusätzliches Personal nötig. Das steht für die Verantwortlichen beim BBW außer Frage. CDU-Fraktionsvize Blenke sieht das anders. Er glaubt, die später wegfallende Arbeitszeit könne im Gesamtsystem ausgeglichen werden. Laut Zeitungsbericht hält sich das Finanzministerium in der Sache bedeckt und verweist auf das Innenministerium, das für Beamtenbelange zuständig sei. Dieses verwahrt sich gegen die alleinige Zuständigkeit. Schließlich seien der Landesetat und die Tarifbeschäftigten Angelegenheit des Finanzministeriums. Dieses Hin und Her um die Zuständigkeit stößt beim BBW auf Unverständnis. „Wichtige Maßnahmen werden dadurch auf die lange Bank geschoben“, kritisiert BBW-Chef Rosenberger.
Die BBW-Forderung nach Reduzierung der Wochenarbeitszeit im Beamtenbereich sowie die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten für Beamtinnen und Beamte waren auch die zentralen Themen der Unterredung, zu der Ministerialdirigent Dr. Reinhard Klee und weitere Vertreter der Innenministeriums Spitzenvertreter des BBW empfangen haben (von links): Marlene Bolz, Referentin im Referat Dienstrecht (IM); Dr. Simone Kontusch, Leiterin Referat Dienstrecht (IM); Ministerialdirigent Dr. Reinhard Klee, Leiter der Abteilung 1 (IM); BBW-Chef Kai Rosenberger; Andreas Mathäs, Leiter Personalreferat (IM); Susanne Hauth, Justiziarin und Geschäftsführerin beim BBW.