14. September 2023

Vorschläge zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels und zur Lehrkräftegewinnung

BBW fordert Taten – Entscheidungen zur Attraktivitätssteigerung des Lehrerberufs nicht unter Finanzierungsvorbehalt stellen

Der BBW – Beamtenbund Tarifunion fordert die Landesregierung auf, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um dem Lehrkräftemangel wirksam zu begegnen. Maßnahmen wie die Rückholaktion pensionierter Lehrkräfte, die Motivation von Teilzeitkräften zur Mehrarbeit oder das geplante Pilotprojekt Duales Lehramtsstudium reichten nicht aus. Entscheidungen zur Attraktivitätssteigerung des Lehrerberufs unter Finanzierungsvorbehalt zu stellen, sei das falsche Signal, sagte BBW-Chef Kai Rosenberger am 13. September 2023 vor Vertreterinnen und Vertretern der Landespresse und forderte Taten: Die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten sei dabei nur ein Baustein im Maßnahmenkatalog seiner Organisation.

So müsse vor dem Hintergrund der kontinuierlich wachsenden Zahl geflüchteter Schülerinnen und Schüler auch umgehend die Möglichkeit zur Einstellung vollausgebildeter ausländischer Lehrkräfte geschaffen werden, betonte der BBW-Vorsitzende. Zugleich erinnerte er daran, dass Lehrkräfte seit eh und je durch freiwillige Mehrarbeit dort unterstützen, wo ein Mangel besteht. Dies belegten die hohen Bugwellen an Mehrarbeitsstunden, die Lehrerinnen und Lehrer seit Jahren ansammelten. Mit der längst überfälligen Einführung von Lebensarbeitszeitkonten könnte endlich das hohe Deputat baden-württembergischer Lehrkräfte gesenkt und ein rechtlicher Rahmen für freiwillige Mehrarbeit geschaffen werden, mahnte Rosenberger. Notwendig seien zudem verbesserte Rahmenbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer, angemessene Gehälter und ein Bündel weiterer Maßnahmen für mehr Wertschätzung des vorhandenen Personals und um nachhaltig die Attraktivität des Lehrerberufs zu stärken.

Einen entsprechenden Maßnahmenkatalog hat die BBW-Kommission Bildung und Wissenschaft (KBW) erarbeitet. Vorgestellt wurde das Papier von BBW-Vize Tina Stark, die auch Vorsitzende der KBW ist. Sie führte detailliert aus, was aus Sicht des BBW falsch läuft und was zu tun ist.

Dem Kultusministerium hielt die Kommissionsvorsitzende vor, es habe zwar Maßnahmen zur kurz- und langfristigen Lehrkräftegewinnung auf den Weg gebracht, positive Neuerungen allerdings nicht. Zugleich warf sie dem Ministerium vor, es habe aufgrund von pauschalen Einschränkungen in seinem 18-Punkte-Plan zur Unterrichtsversorgung vom Frühjahr 2023 das Vertrauen der Lehrkräfte nachhaltig geschädigt. Die verkündeten Einschränkungen bei Teilzeit und Sabbatjahr hätten allgemein zu großer Verunsicherung und Frust auch bei jenen geführt, die gar nicht betroffen waren. Was bleibt, sei die allgemeine Sorge, dass sämtliche Teilzeitmöglichkeiten eingeschränkt werden, so Tina Stark. Die KBW rate dem Kultusministerium daher dringend von weiteren Schnellschüssen ab und fordere die Behörde auf, entsprechende Maßnahmen im Vorfeld mit den gewerkschaftlichen Vertretungen der Betroffenen zu erörtern, erklärte die Kommissionsvorsitzende.

Eine nachhaltige und langfristig angelegte Einstellungspolitik ist aus Sicht der KBW ausschlaggebend, um potenzielle Nachwuchskräfte für den Lehrerberuf zu interessieren und sie nach dem Studium als Lehrkräfte zu gewinnen. Dies könne jedoch nur gelingen, wenn die Gehälter, die Beförderungs- und die Entwicklungsmöglichkeiten sowie die Arbeitsbedingungen stimmen. Dies alles lasse hierzulande allerdings zu wünschen übrig.

Angemessene Bezahlung, Beförderungs- und Entwicklungsmöglichkeiten

Baden-Württemberg müsse im Wettbewerb mit den Bundesländern mitziehen, die ihre Absicht bekundet haben, für Lehrkräfte von Grund-, Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen die Besoldung anzuheben. Ob die Besoldung seit Inkrafttreten des Besoldungs- und Versorgungsänderungsgesetz 2022 (BVAnp-ÄG 2022) trotz Einführung des Bürgergelds zum 1. Januar 2023 noch verfassungskonform ist, müsse die Überprüfung durch ein neues Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht erst noch zeigen, sagte Tina Stark.

Klar und deutlich sind auch die Forderungen der Kommission zur Einstellung neuer Lehrkräfte. Diese müsse zum Schuljahresbeginn, also zum 1. August erfolgen. Nur so könnten Referendarinnen und Referendare gebunden und die Einstellung mit Teilzeitdeputaten reduziert werden. Daneben fordert die KBW verbesserte Beförderungsmöglichkeiten für Fachlehrkräfte für musisch-technische Fächer und Sonderpädagogik sowie für Technische Lehrkräfte.

Arbeitsbedingungen verbessern

Was die Arbeitsbedingungen von Lehrkräften betrifft, ist aus Sicht der Kommission einiges im Argen. Die wöchentliche Pflichtstundenzahl sei im Vergleich zu anderen Bundesländern hoch. Hinzu kämen volle Klassen, Inklusion und Migration sowie zunehmender Aufwand für Verwaltungstätigkeiten. Dies alles seien Herausforderungen, die kaum noch zu bewältigen sind, sagt die Kommissionsvorsitzende. Deshalb müssten Klassenteiler und Höhe der Deputate auf den Prüfstand, die Sinnhaftigkeit von Verwaltungsaufgaben überprüft und bei Bedarf zusätzliches Personal zur Entlastung der Lehrkräfte und Schulleitungen eingestellt werden.

Darüber hinaus fordert die Kommission ein attraktives Altersteilzeitmodell für alle Lehrkräfte, die Erhöhung der Altersermäßigung und eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Austritte aus dem Schuldienst und vorzeitige Pensionierungen könnten dadurch vermieden werden.

Neue Impulse für die Ausbildung und Bindung von Beschäftigten

Neue Impulse brauche es auch bei der Lehrkräfteausbildung, damit diese den Anforderungen durch die technischen Weiterentwicklungen gerecht wird. Neben einer besseren Abstimmung zwischen Kultus- und Wissenschaftsministerium sei es sinnvoll und zielführend, hierbei auch die Seminare für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte einzubeziehen.

Die neuen dualen lehramtsbezogenen Masterstudiengänge zum Wintersemester 2024/2025 bewertet die Kommission positiv. Parallel dazu fordert sie berufsbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen für im Dienst befindliche Personen sowie die Abschaffung bürokratischer Hürden für potenzielle Direkteinsteiger. Ihnen müsse man attraktive Angebote machen. Lehrkräften für Mangelfächer sollte man konkurrenzfähige Zulagen anbieten, um einer Abwanderung in die Privatwirtschaft vorzubeugen oder sie gar von dort zu gewinnen, und ausländischen Lehrkräften sei eine berufsbegleitende Qualifizierung zu ermöglichen. Zudem sei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Kooperationen zwischen Kommunen und Schulträger zur Förderung der Kinderbetreuung zu verbessern, nicht zuletzt mit dem Ziel, den Teilzeitanteil aus familiären Gründen zu reduzieren und Lehrkräfte früher und mit höherem Deputat zurück an die Schulen zu bringen.