Die Forderung: Verwerfungen durch Sparpolitik müssen bereinigt werden
Landeshauptvorstand beschließt Arbeitsauftrag für die kommenden Jahre
- Foto: BBW Der BBW-Landeshauptvorstand bei der Tagung am 17. Mai 2017 in Karlsruhe
Die Steuereinnahmen sprudeln weiter, auch in Baden-Württemberg. Grund genug für den BBW, der Landesregierung klar zu machen, dass die Attraktivität des öffentlichen Dienstes insbesondere für Nachwuchskräfte im Beamtenbereich durch die Sparpolitik der vergangenen Jahre gelitten hat. „Korrekturen müssen her“, sagte BBW-Chef Volker Stich am 17. Mai 2017 in Karlsruhe vor dem Landeshauptvorstand der Organisation und umriss den Arbeitsauftrag für die kommenden Jahre, den das Gremium einstimmig abgesegnet hat.
Ganz oben auf der Agenda steht die Beihilfe, die noch unter Grün-Rot für junge Beamtinnen und Beamte auf 50 Prozent abgesenkt wurde. „Diese Regelung muss weg“, sagte Stich und rechnete vor, dass Nachwuchskräfte aufgrund der Beihilfeverschlechterungen für ihre Krankenversicherung monatlich 30 bis 100 Euro mehr aufbringen müssten. Das sei in der Konsequenz ein Einkommensverlust, der während des gesamten Berufslebens existent bleibe. Kein anderes Bundesland mute seinen Beamten eine vergleichbare Regelung zu.
An zweiter Stelle steht die Besoldung. Vor dem Landeshauptvorstand sprach Stich von einer kleinen Dienstrechtsreform. Denn für ihn steht fest: „Die Besoldungstabellen müssen neu geschrieben werden.“ Zur Begründung verwies er auf das Gutachten, das der BBW bei der Speyerer Finanzwissenschaftlerin Prof. Dr. Gisela Färber in Auftrag gegeben hat. Dieses Gutachten belegt, dass bei den unteren Besoldungsgruppen das Abstandsgebot zur Sozialhilfe inzwischen nicht mehr eingehalten wird. Die Lücke zu den Sozialhilfesätzen ist zu gering. Das Bundesverfassungsgericht verlangt an dieser Stelle einen Mindestabstand von 15 Prozent. In Ballungszentren sei die Situation besonders gravierend, sagte Stich. Dort stellten sich Sozialhilfeempfänger mitunter besser, als Beamte der unteren Besoldungsgruppen. Zudem zeige das Gutachten auf, dass die Besoldung bei den Endstufen des gehobenen Dienstes den Tarifeinkommen zu stark hinterher hinke. Demnach hat ein Tarifangestellter nach 15 Jahren monatlich 700 bis 800 Euro brutto mehr als ein Beamter nach 28 bis 32 Jahren in der Endstufe.
Die Abstände bei der Besoldung seien nicht mehr nachvollziehbar, sagte Stich und mahnte die Gremien: „Handeln ist angesagt.“ Stich geht nicht davon aus, dass der BBW eine Dienstrechtsreform in seinem Sinne schnell auf den Weg bringen kann. Er rechnet mit Widerstand. Dennoch will Stich den Weg für seinen Nachfolger bereiten, wenn er Anfang Dezember 2017 beim BBW-Gewerkschaftstag seine Spitzenposition aufgeben wird. Deshalb macht er jetzt schon Druck und wird noch vor der Sommerpause mit dem Finanz- und dem Innenministerium sowie den Fraktionschefs von Grünen und CDU in die Gespräche einsteigen.
Gegenstand dieser Gespräche werden auch die BBW-Forderungen nach der Mütterrente für Beamtinnen, der Verkürzung der Wochenarbeitszeit und der Einführung von Lebensarbeitszeitkonten sein, Themen, die ebenfalls zum Arbeitsauftrag für die kommenden Jahre zählen. Zudem hat das Innenministerium beim BBW mit der Frage angeklopft, ob man eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf freiwilliger Basis vereinbaren kann. Das Innenministerium plant eine Bestandsaufnahme, inwieweit davon Gebrauch gemacht wird. Aus Sicht des Beamtenbundes nimmt ein Fünftel derer, die die Pensionsgrenze erreicht haben, das Angebot wahr. Der BBW habe dem Innenminister in dieser Sache bereits Unterstützung signalisiert, berichtete Stich dem Landeshauptvorstand. Zugleich habe der BBW seine Forderung nach einem höheren Gehaltszuschlag erneuert.
Um den Fachkräftemangel auch in der Verwaltung zu lindern, will Stich im Gespräch mit dem Innen- und Finanzministerium sowie den Regierungsfraktionen darüber reden, wie das Land mehr junge Menschen mit Migrationshintergrund gewinnen kann.
Zudem wird in den kommenden Monaten das Thema Bürgerversicherung in den Fokus der öffentlichen Diskussion rücken. Der BBW lehnt diese ab, nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen aus den Niederlanden, wo nach Abschaffung des dualen Krankenversicherungssystems die Versorgung schlechter und die Krankenversicherung teurer geworden sei.
Mit der vom Hauptvorstand beschlossenen Agenda will Landesbund-Chef Stich auch seinem Nachfolger den Boden bereiten – ein politisches „Vermächtnis“ sozusagen. Der dann 67-Jährige gibt sein Amt Ende des Jahres nach 14 Jahren an der Landesspitze ab. Der Wechsel soll beim Gewerkschaftstag am 5./6. Dezember in Ludwigsburg erfolgen. Zwei Stellvertreter Stichs haben ihre Kandidatur für den Vorsitz angekündigt: Gerhard Brand (Verband Bildung und Erziehung) und Kai Rosenberger (Deutsche Steuergewerkschaft).
(siehe auch Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten).