20. August 2019

dbb Bürgerbefragung – 61 Prozent halten den Staat für überfordert

BBW mahnt die Landesregierung: Mit mehr als 10 000 unbesetzten Stellen ist kein Staat zu machen

Der BBW – Beamtenbund Tarifunion (BBW) appelliert an die Landesregierung, endlich dem Personalmangel im öffentlichen Dienst wirkungsvoll zu begegnen. Vor dem Hintergrund der besorgniserregenden Ergebnisse der Bürgerbefragung zur Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sei es höchste Zeit, die Reißleine zu ziehen, erklärte BBW-Chef Kai Rosenberger heute (20.08.2019) in Stuttgart.

Die Landesregierung müsse jetzt Geld in die Hand nehmen, damit Arbeitsplätze beim Land und den Kommunen für gut ausgebildete Arbeitskräfte wieder attraktiv werden, mahnt Rosenberger: „Mit mehr als 10 000 unbesetzten Stellen ist kein Staat zur machen.“ Nur wenn in allen Dienststellen qualifiziertes  Personal in ausreichender Anzahl vorhanden sei, lasse sich verloren gegangenes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zurückgewinnen, sagte der BBW-Vorsitzende im Hinblick auf die heute (20.08.2019) in Berlin veröffentliche dbb Bürgerbefragung zur Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes.

Nach der aktuellen Umfrage, die vom Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag des dbb durchgeführt wurde, halten 61 Prozent der Befragten den Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben für überfordert.

Auf die konkrete Nachfrage, mit welchen Aufgaben der Staat derzeit überfordert sei, nannten die Befragten eine Vielzahl von Bereichen. So glauben 24 Prozent, der Staat sei vor allem mit den Aufgaben in der Schul- und Bildungspolitik überfordert. 19 Prozent denken dies von den Herausforderungen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik, 17 Prozent von den Problemen der Inneren Sicherheit. 13 Prozent sehen eine Überforderung des Staats in Sachen Klima- und Umweltschutz, jeweils 12 Prozent hinsichtlich der Gesundheitsversorgung bzw. den sozialen Sicherungssystemen und der Rente. Ähnlich viele (11 %) glauben auch, dass der Staat zu wenig zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit in der Gesellschaft tut.

BBW-Chef Rosenberger wertet das Ergebnis der Umfrage als erschreckend und besorgniserregend, zumal die Befragten den Staat nicht nur in bestimmten Bereichen für überfordert halten, sondern ein generelles Gefühl vorherrscht, dass der Staat seine Aufgaben nicht mehr in vollem Umfang erfüllen kann. „Handeln ist angesagt“, sagt Rosenberger. Das fange bei guten Gehältern für gute Arbeit an, schließe attraktive Arbeitszeitregelungen ein und ende bei Rahmenprogrammen, die den öffentlichen Dienst als Dienstleister optimieren.

 

Gewalt gegenüber öffentlich Bediensteten

Erstmals hat die dbb Bürgerbefragung neben der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes auch das Thema „Gewalt gegenüber öffentlich Bediensteten“ in den Blick genommen. Damit ist jetzt schwarz auf weiß zu lesen, was insbesondere bei den Beschäftigten der Polizei und im Justizvollzug schon fast zum Alltag gehört, nämlich zunehmende Gewaltbereitschaft. Das Meinungsforschungsinstitut forsa spricht von einer zunehmenden Verrohung der Gesellschaft. Vier von fünf Bundesbürgern teilen laut der Umfrage diese Auffassung. Bei den 60-jährigen und Älteren sind es sogar 86%.

Mehr als ein Viertel aller Bundesbürger haben bereits Übergriffe auf öffentliche Bedienstete selbst beobachtet. Bei den 18- bis 29-jährigen sind es sogar 38% und damit mehr als jeder Dritte.

Verwunderlich ist weniger, dass Übergriffe auf Polizisten (73%) am häufigsten wahrgenommen werden, sondern dass auf Platz 2 Übergriffe auf Rettungskräfte bzw. Notärzte (58%) genannt werden. Mehr als die Hälfte der Bundesbürger hat hier bereits Übergriffe auf diesen Personenkreis wahrgenommen.

Betroffen macht auch die Tatsache, dass mehr als zwei Drittel aller Beamtinnen und Beamten im Rahmen ihrer Tätigkeit schon einmal behindert, beschimpft oder tätlich angegriffen worden sind. Das seien Zahlen, die es früher in dieser Dimension noch nie gegeben hat und die nicht nur zum Nachdenken anregen sollten, sondern vor allem zum sofortigen Handeln, kommentiert BBW-Chef Rosenberger.

Der Landesregierung hält er vor, dass sich die bisherigen Maßnahmen zur Entschädigung Betroffener bislang nur auf tätliche Angriffe beschränken. Er kritisiert, mit dieser Regelung sei man „zu kurz gesprungen“. Dabei dürfe es nicht bleiben. Wer Rettungskräfte, Notärzte, Polizisten, Lehrer oder andere Bedienstete in der öffentlichen Verwaltung in Ausübung ihrer Tätigkeit beleidigt, bespuckt oder behindert, sollte mit drastischen Strafen rechnen müssen. Ansonsten könne die zunehmende Brutalisierung der Gesellschaft nicht mehr aufgehalten werden.

Für zwingend hält Rosenberger zudem, dass das Personal bei der Polizei und im Justizbereich deutlich aufgestockt wird. Es könne nicht sein, dass Baden-Württemberg im Vergleich der Bundesländer in diesen beiden Bereichen die wenigsten Beschäftigten pro 1000 Einwohner vorhält.

 

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