29. Juli 2020
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Richterbesoldung in Berlin – amtsangemessene Besoldung kinderreicher Richter in NRW:

Zwei BVerfG-Entscheidungen mit weitreichenden Auswirkungen

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), das die Richterbesoldung in Berlin in den Jahren 2009 bis 2015 als verfassungswidrig einstuft, dürfte nach Einschätzung des BBW auch maßgeblich für den gesamten Besoldungsbereich in Baden-Württemberg werden. Gleiches gilt für die BVerfG-Entscheidung zur amtsangemessenen Besoldung kinderreicher Richter in Nordrhein-Westfalen.

In den beiden Entscheidungen vom 4. Mai 2020 hat das BVerfG auch die für die Berechnung des 115prozentigen grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarfs herangezogenen Maßstäbe aktualisiert, so z.B. bei der Berücksichtigung der stark gestiegenen Wohnkosten und zusätzlicher Bedarfe wie z.B. für Bildung und Teilhabe. Auch der BBW hatte dies – nicht zuletzt auf der Basis des „Färber-Gutachtens“ - angemahnt.

Die Einschätzung des BBW zur Richterbesoldung in Berlin beruht auf der am 28. Juli 2020 veröffentlichten Entscheidung (2 BvL 4/18) samt Begründung des Gerichts, insbesondere mit Blick auf die erweiterten Prüfkriterien zur Festlegung einer amtsangemessenen Besoldung. Diese erweiterten Prüfkriterien spielen auch in der tags drauf veröffentlichten Entscheidung des BVerfG zur amtsangemessenen Besoldung kinderreicher Richter in NRW eine ausschlaggebende Rolle.

„Die Besoldungsvorschriften des Landes Berlin sind mit dem von Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Alimentationsprinzip unvereinbar, soweit sie die Besoldung der Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppen R 1 und R 2 in den Jahren 2009 bis 2015 sowie der Besoldungsgruppe R 3 im Jahr 2015 betreffen.“, hat der Zweite Senat des BVerfG entschieden. Die Richter machten in ihrer Entscheidung deutlich, dass in den zur Entscheidung anstehenden Fälle gleich mehrere Prüfkriterien nicht erfüllt waren. Zudem präzisierten sie den Kriterienkatalog zur Überprüfung des Mindestmaßes einer amtsangemessenen Besoldung. Dieser präzisierte Kriterienkatalog kann sich nach Einschätzung des BBW auch auf alle Besoldungsordnungen des Landes auswirken. Eine entsprechende Entscheidung des BVerfG zur A-Besoldung steht allerdings noch aus.

Das zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählende Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn, Richtern und Beamten sowie ihren Familien lebenslang einen Lebensunterhalt zu gewähren, der ihrem Dienstrang und der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung angemessen ist und der Entwicklung des allgemeinen Lebensstandards entspricht. Ob die Bezüge rechtens sind, hängt davon ab ob sie einer Gesamtschau verschiedener Kriterien standhalten.

Auf der ersten Prüfungsstufe wird mit Hilfe von fünf Parametern ein Orientierungsrahmen für eine grundsätzlich verfassungsgemäße Ausgestaltung der Alimentationsstruktur und des Alimentationsniveaus ermittelt (Vergleich der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung der Tarifentlohnung im öffentlichen Dienst, des Nominallohnindex sowie des Verbraucherpreisindex, systeminterner Besoldungsvergleich und Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und anderer Bundesländer). Beim systeminternen Besoldungsvergleich ist neben der Veränderung der Abstände zu anderen Besoldungsgruppen in den Blick zu nehmen, ob in der untersten Besoldungsgruppe der gebotene Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau eingehalten ist. Ein Verstoß hiergegen betrifft insofern das gesamte Besoldungsgefüge, als sich der vom Gesetzgeber selbst gesetzte Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung als fehlerhaft erweist.

Auf der zweiten Prüfungsstufe sind die Ergebnisse der ersten Stufe mit den weiteren alimentations-relevanten Kriterien im Rahmen einer Gesamtabwägung zusammenzuführen. Werden mindestens drei Parameter der ersten Prüfungsstufe erfüllt, besteht die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation. Werden umgekehrt bei allen Parametern die Schwellenwerte unterschritten, wird eine angemessene Alimentation vermutet. Sind ein oder zwei Parameter erfüllt, müssen die Ergebnisse der ersten Stufe, insbesondere das Maß der Über- beziehungsweise Unterschreitung der Parameter, zusammen mit den auf der zweiten Stufe ausgewerteten Kriterien im Rahmen der Gesamtabwägung eingehend gewürdigt werden. Ergibt die Gesamtschau, dass die zur Prüfung gestellte Besoldung grundsätzlich als verfassungswidrige Unteralimentation einzustufen ist, bedarf es auf der dritten Stufe der Prüfung, ob dies ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann.

Alimentation von kinderreichen Richtern und Staatsanwälten

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit am 29.07.2020 veröffentlichtem Beschluss –(2 BvL 6/17 u.a.) entschieden, dass die Besoldungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen, mit dem von Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Alimentationsprinzip unvereinbar sind, soweit sie die Besoldung kinderreicher Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppe R 2 in den Jahren 2013 bis 2015 regeln. Die den Richtern und Beamten ab dem dritten Kind gewährten Zuschläge müssen demnach ihr Nettoeinkommen so erhöhen, dass ihnen für jedes dieser Kinder mindestens 115 % des grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarfs zur Verfügung steht.

Wie dies geschieht, steht dem Gesetzgeber frei. Entscheidend ist, das von der Verfassung vorgegebene Ziel durch eine entsprechende Bemessung der Bruttobezüge – etwa in Gestalt eines kinderbezogenen Familienzuschlags – zu erreichen, die Richter und Beamten an einem allgemein gewährten Kindergeld teilhaben zu lassen, durch allgemeine steuerrechtliche Vorschriften die durch den Kindesunterhalt verminderte Leistungsfähigkeit auszugleichen oder diese und weitere Möglichkeiten miteinander zu verbinden.

www.bundesverfassungsgericht.de