Das Wetter war schlechter denn je, die gegensätzlichen Positionen zwischen BBW und Landesregierung so groß, wie schon lange nicht mehr. Dennoch wurde auch das 17. Politische Sommerfest des BBW – Beamtenbund Tarifunion zu einem Abend mit guten Gesprächen zwischen Vertretern und Vertreterinnen aus Politik, Verwaltung, Medien und der eigenen Organisation – wenn auch diesmal nicht im Garten, sondern vorwiegend im Haus des BBW in Stuttgart.
Bevor man sich aber an jenem 2. Juli 2024 zu Köstlichkeiten vom Buffet, Gegrilltem und kühlen Getränken an den Tischen versammelte, hatten Gastgeber Kai Rosenberger und Justizministerin Marion Gentges das Wort. Rosenberger äußerte sich kämpferisch und kündigte im Verlauf seiner Ansprache auch eine Klage in Sachen verfassungskonforme Besoldung an. Die Justizministerin zeigte Verständnis für die Anliegen des BBW, blieb in der Sache aber unverbindlich.
Ministerin Gentges war beim Sommerfest des BBW für Ministerpräsident Winfried Kretschmann eingesprungen, der wegen Haushaltsberatungen sein Kommen kurzfristig abgesagt hatte. Sie war in ihrer Ansprache stets verbindlich und voll des Lobes für den öffentlichen Dienst und seine Beschäftigten. Konkrete Zusagen, beispielsweise zur schon lange versprochen Einführung von Lebensarbeitszeitkonten, blieb sie schuldig. Stattdessen hatte sie einige freundliche Botschaften parat:
Etwa, dass man der zunehmenden Gewalt gegen öffentlich Beschäftigte „konsequent mit Mitteln des Rechtsstaats“ begegnen werde. Dazu habe man die neue Landeskonzeption erarbeitet, in der es um Prävention und Hilfe, aber auch um rechtliche Maßnahmen gehe.
Oder, dass auch die Landesregierung für einen attraktiven öffentlichen Dienst eintrete.
Stattdessen verteidigte sie die gekürzte Zuführung zum Versorgungsfonds, die BBW-Chef Rosenberger zuvor scharf kritisiert hatte, als vertretbaren Einschnitt. Zusammen mit anderen Maßnahmen trage dieses Vorgehen dazu bei, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen und weiter in die Zukunft zu investieren. Schließlich hätten inzwischen Versorgungsrücklage und Versorgungsfonds zusammen ein Volumen von rund zwölf Milliarden Euro. Die durchschnittliche Rendite liege bei 3,5 Prozent. Allein sie übersteige die bisherige durchschnittliche jährliche Zuführung zum Versorgungsfonds. Dazu komm die verbleibende Zuführung von 400 Millionen Euro im Jahr 2025 und 210 Millionen Euro im Jahr 2026, so dass der Versorgungsfonds weiter anwachsen werde.
Verteidigt hat Gentges die geplante Einführung eines Partnereinkommens als „Weiterentwicklung des Familienbildes zur Hinzuverdienstfamilie, das die Mehrzahl der anderen Bundesländer bereits eingeführt und Bedeutung bei der Bestimmung des Mindestabstands zur Grundsicherung hat“.
Als gut und richtig bezeichnete sie auch die Übertragung des Tarifergebnisses TV-L 2023 auf den Beamten- und Versorgungsbereich. Insgesamt nehme das Land dafür 3,4 Milliarden Euro in die Hand und leiste damit in schwierigen Zeiten ein „Bekenntnis zu unserem öffentlichen Dienst“. Daran knüpfe man weiter an mit der Personaloffensive des Landes, dem Masterplan Verwaltungsmodernisierung und dem Lebensarbeitszeitkonto. Konkrete Aussagen zu all diesen Vorhaben traf sie allerdings nicht.
BBW-Chef Kai Rosenberger hatte zuvor Klartext gesprochen, sowohl zur Übertragung des Tarifergebnisses als auch zur geplanten Einführung eines fiktiven Partnereinkommens.
„In beiden Fällen geht es um eine verfassungskonforme Besoldung“, sagte Rosenberger und erläuterte: Die Beamtinnen und Beamten in Baden-Württemberg sollten sich jederzeit sicher sein dürfen, dass ihre Besoldung, wenn schon nicht ausreichend, dann zumindest doch verfassungskonform ist. Doch dies sei leider mehr als ungewiss. Entgegen den Ratschlägen des BBW und der Experten des Finanzministeriums werde bei der Übertragung des Tarifergebnisses der Sockel nicht in eine durchschnittliche lineare Erhöhung umgerechnet, sondern als Sockel in Höhe von 200 Euro beibehalten. Dies führe unweigerlich dazu, dass die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen abgeschmolzen werden, warnte der BBW-Vorsitzende und verwies auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 2017, wonach dies unbedingt zu vermeiden ist.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Entscheidungen aus den Jahren 2015 und 2020) besagt zudem, dass von der untersten Besoldung zur Grundsicherung ein Abstand von 15 Prozent einzuhalten ist, das heißt: eine Beamtin bzw. ein Beamter in Vollzeit muss entsprechend mehr verdienen als eine Bürgergeldempfängerin bzw. ein Bürgergeldempfänger. Weil dies seit Einführung des Bürgergelds generell nicht mehr gegeben ist, hat der BBW die Landesregierung auch umgehend in die Pflicht genommen und in dieser Angelegenheit schon mehrfach Gespräche im Finanzministerium geführt. Im Frühjahr 2024 überraschte Grün-Schwarz dann mit dem Plan, ein fiktives Partnereinkommen von 6.000 Euro einzuführen, um auf diese Art und Weise jeweils dem verfassungsmäßigen Abstand zur Grundsicherung zu entsprechen.
Beim BBW ist seit dem der Ärger groß. Beim Politischen Sommerfest bezeichnete BBW-Chef Rosenberger diese Pläne als Winkelzug, der dem BBW keine andere Wahl lasse, als diese Angelegenheit gerichtlich überprüfen zu lassen. „Wir sind guten Mutes, dass zu guter Letzt das BVerfG auch dieses Mal der Auffassung des BBW folgen wird“, gab sich Rosenberger überzeugt.
Dass inzwischen etwa die Hälfte aller Bundesländer zu diesem Trick greife, bedeute nicht, dass er richtig sei, betonte der BBW-Vorsitzende. Die unterschiedlichen Beträge zwischen 6.000 Euro und 20.000 Euro pro Jahr, die in den betreffenden Bundesländern als Partnereinkommen angesetzt werden, verdeutlichten, dass die Höhe willkürlich gegriffen ist und jederzeit angepasst werden könnte, falls das Abstandsgebot nicht mehr eingehalten werde.
Enttäuscht ist man beim BBW zudem, dass man noch immer vergebens auf die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten wartet. Entsprechend kritisch äußerte sich Rosenberger auch dazu. Beim Gewerkschaftstag des BBW im Dezember 2022 hätten beide Regierungsfraktionen die Einführung eines Lebensarbeitszeitkontos zugesagt. Dies habe man auch im Koalitionsvertrag vereinbart. Doch 19 Monate später liege weder ein Gesetzentwurf noch ein Eckpunktepapier vor. Die Beamtinnen und Beamten im Land arbeiteten noch immer 41 Stunden in der Woche – ohne Anrechnung von einer Stunde auf ein Lebensarbeitszeitkonto, erinnerte der BBW-Vorsitzende mahnend die Verantwortlichen von Grün-Schwarz. Kein anderes Bundesland habe längere Wochenarbeitszeiten im öffentlichen Dienst als Baden-Württemberg. Entsprechend uninteressant sei er hierzulande für Berufseinsteiger der Generation Z, erklärte Rosenberger und appellierte an die Politik im Lande, die Wochenarbeitszeit zu reduzieren, um für den Nachwuchs attraktiv zu bleiben.
Auch eine 4-Tage-Woche könnte zur Attraktivität beitragen. Diese wird europaweit pilotiert. Die Ergebnisse bisheriger Studien sind durchweg positiv. So zeigt sich, dass die 4-Tage-Woche zu einem Digitalisierungsschub führt. Zudem haben einige der teilnehmenden Unternehmen signifikant mehr Bewerbungen erhalten, bei gleichbleibender Qualität.
Vor diesem Hintergrund forderte Rosenberger von Politik und Verwaltung den Mut, um in Baden-Württemberg einen Pilotversuch im öffentlichen Dienst mit wissenschaftlicher Begleitung zu wagen.