20. Dezember 2021
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Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen zur amtsangemessenen Alimentation

Verfassungskonforme Besoldung: Das Land macht sich auf den Weg

Der BBW – Beamtenbund Tarifunion (BBW) hat erfreut zur Kenntnis genommen, dass das Land im kommenden Jahr die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) für eine verfassungskonforme Besoldung vom Mai 2020 umsetzen will. Damit komme das Land schließlich auch einer langjährigen Forderung des BBW nach, die seine Organisation bereits aufgrund früherer BVerfG-Urteile und im Zusammenhang mit dem Färber-Gutachten im Jahr 2017 erhoben habe, erklärte BBW-Chef Kai Rosenberger am 20. Dezember 2021 in Stuttgart.

Das Land macht sich auf den Weg: Die gesetzliche Vorbereitung zur Umsetzung der BVerfG-Entscheidungen vom Mai 2020 soll im Frühjahr 2022 beginnen und das gesamte Gesetzgebungsverfahren im Herbst 2022 abgeschlossen sein.

Den Zeitplan und die anstehenden Maßnahmen haben Finanzminister Danyal Bayaz und Jörg Krauss, der Amtschef des Finanzministeriums, mit BBW-Chef Kai Rosenberger, BBW-Vize Joachim Lautensack sowie BBW-Justitiarin und Geschäftsführerin Susanne Hauth in diesen Tagen im Verlauf einer Videokonferenz erörtert.

Geplant ist demnach ein 4-Säulen-Modell, womit Eingangsämter angehoben, der abgesenkte Beihilfebemessungssatz durch das Haushaltsbegleitgesetz 2013/2014 zurückgenommen und ausgehend von Besoldungsgruppe A 7 bis A 14 die kinderbezogenen Familienzuschläge für das erste und zweite Kind erhöht werden. Zudem sollen in allen Besoldungsgruppen der kinderbezogene Familienzuschlag für das dritte und jedes weitere Kind angehoben werden.

Zum geplanten 4-Säulen-Modell führte Ministerialdirektor Krauss gegenüber den BBW-Vertretern aus, dass die bessere Stellenausstattung in den Haushalt aufgenommen wurde. Die gesetzliche Umsetzung gehe mit einer Änderung des Landesbesoldungsgesetzes Baden-Württemberg (LBesGBW), des Landesbeamtengesetzes (LBG) und der Beihilfeverordnung (BVO) einher und werde zeitgleich mit der Anpassung der Besoldung und Versorgung in den Landtag eingebracht. Mit dem Abschluss des Verfahrens rechne man derzeit im Herbst 2022.

Der BBW bewertet die Pläne des Landes zur Umsetzung der BVerfG-Entscheidungen vom Mai 2020 überwiegend positiv. „In der Gesamtschau überwiegen die positiven Aspekte“, fasst BBW-Chef Rosenberger zusammen. Die Anhebung von Ämtern wirke sich auf die Gehälter der Beamtinnen und Beamten im mittleren und gehobenen Dienst aus und trage zugleich zur Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Dienstes in Baden-Württemberg bei.

Es sei äußerst ärgerlich, dass bei dem 4-Säulen-Modell bisher der höhere Dienst auf der Strecke bleibt, kritisiert Rosenberger. Dafür würden insbesondere die unteren und mittleren Einkommen durch Ämterhebungen und eine Neustrukturierung der Erfahrungsstufen gestärkt. Hinzu komme die Rücknahme der abgesenkten Beihilfebemessungssätze durch das Haushaltsbegleitgesetz 2013/2014.

Dass das Land jetzt bei der Beihilfe einlenkt, wertet Rosenberger als eindeutigen Erfolg des BBW. Er ist davon überzeugt, dass auch dies dazu beitragen wird, den öffentlichen Dienst für Berufseinsteiger ein Stück weit attraktiver zu machen. Positiv für die Gewinnung von Nachwuchskräften wirkten sich zudem die Einkommensverbesserungen aus, insbesondere im mittleren Dienst, durch die teilweise modifizierte Besoldungsstruktur und die Erhöhung der kinderbezogenen Familienzuschläge. Nach Einschätzung des BBW dürften davon insbesondere die Steuer- und Justizverwaltung, die technischen Verwaltungen, die Polizei und die Kommunalverwaltungen profitieren.

Der BBW hätte zwar eine Neuordnung der gesamten Besoldungsstruktur bevorzugt, räumt Rosenberger ein. Doch eine Anhebung der Grundgehälter mitsamt der Einhaltung der Abstandsgebote zwischen den Besoldungsgruppen, sei – auch in Anbetracht der immensen Kosten infolge der Corona-Pandemie – nicht durchsetzbar gewesen. Dies hätte das Land nämlich 2,9 Milliarden Euro mehr pro Jahr gekostet. Die jetzt gefundene Lösung trage der BBW in weiten Teilen mit, sagt Rosenberger und weist darauf hin, dass Baden-Württemberg mit dem geplanten 4-Säulen-Modell im Ländervergleich gegenwärtig den Spitzenplatz einnehme.

Für die Umsetzung der Bundesverfassungsgerichtsurteile zur Richterbesoldung in Berlin und zum kinderbezogenen Familienzuschlag in Nordrhein-Westfalen, die bundesweit ausschlaggebend für die Neuordnung der Besoldung sind, kostet das Land immer noch viel Geld. Durch das geplante 4-Säulen-Modell (rd. 178 Mio. Euro) und die Erhöhung der Familienzuschläge für dritte und weitere Kinder (rd. 60 Mio. Euro) kommt es dauerhaft zu Personalmehrausgaben von jährlich 238 Millionen Euro. Die Alternativen, nämlich die Anhebung aller Grundgehälter hätte jährliche Mehrausgaben von 2,9 Milliarden bedeutet, die Umsetzung der BVerfG-Urteile allein durch eine Erhöhung der Familienzuschläge für das 1. und das 2. Kind 547 Millionen Euro zuzüglich 60 Millionen Euro für die Anhebung des kinderbezogenen Familienzuschlags für das dritte und jedes weitere Kind. 

Das 4-Säulen-Modell im Detail betrachtet

Das Finanzministerium hat zur Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2020 zur Richterbesoldung in Berlin (2 BvL 4/18) ein 4-Säulen-Modell entwickelt. Damit soll ab dem Jahr 2022 sichergestellt werden, dass der Mindestabstand der Nettobesoldung der niedrigsten Besoldungsgruppe zum Grundsicherungsniveau in Höhe von mindestens 15 % gewahrt ist. Für die Jahre vor 2022 soll der Mindestabstand durch Nachzahlungen aufgrund von Spitzabrechnungen gewahrt werden. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2020 zum kinderbezogenen Familienzuschlag ab dem dritten Kind in Nordrhein-Westfalen (2 BvL 6/17 u.a.) soll in allen Besoldungsgruppen durch die Erhöhung der Familienzuschläge für dritte und weitere Kinder von 407,78 Euro auf 704 Euro nach derzeitigem Planungsstand umgesetzt werden.  

Der BBW hat seit 2017 aufgrund der früheren BVerfG-Entscheidungen aus dem Jahr 2015 und nach Vorliegen des Färber-Gutachtens zu entsprechenden Widersprüchen aufgerufen und eine Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefordert. Der BBW begrüßt, dass die Umsetzung nun konkrete Formen annimmt. Ein Gesetzentwurf ist für das erste Quartal 2022 angekündigt, die Verabschiedung des Gesetzes, gemeinsam mit der Anpassung von Besoldung und Versorgung, voraussichtlich im Herbst 2022. Der BBW wurde frühzeitig über die Eckpunkte zur Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts informiert und steht im Austausch mit dem Finanzministerium. Der BBW ist dabei, die Eckpunkte zu prüfen und wird das weitere Verfahren kritisch und konstruktiv begleiten.

Wegen Änderungen für Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger soll zunächst die weitere Rechtsprechung aufgrund von Vorlagebeschlüssen zur Beamtenversorgung abgewartet werden.

Eckpunkte des 4-Säulen-Modells nach derzeitigem Stand:

1. Säule: Ämteranhebung

Im mittleren Dienst

Im gehobenen Dienst

Die Anhebung der Eingangsämter entspricht der langjährigen Forderung des BBW. Offen bleibt noch die Forderung des BBW nach Anhebung des Eingangsamtes im höheren Dienst.

2. Säule: Neustrukturierung der Erfahrungsstufen

Der Einstieg soll in allen Besoldungsgruppen in Stufe 3 erfolgen. Dies bedeutet, dass die Erfahrungsstufen 1 und 2 in den Besoldungsgruppen bis A 10 wegfallen sollen und sich damit die Eingangsbesoldung erhöht.

3. Säule: Rücknahme der Absenkung der Beihilfebemessungssätze

Die Beihilfebemessungssätze wurden durch das Haushaltsbegleitgesetz 2013/2014 auf einen einheitlichen Beihilfebemessungssatz von 50 % für ab dem 1.1.2013 eingestellte Beamtinnen und Beamte reduziert. Der abgesenkte Beihilfebemessungssatz von 50 % gilt auch im Versorgungsfall.

Die abgesenkte Eingangsbesoldung und die abgesenkte Einkünftegrenze für berücksichtigungsfähige Angehörige in der Beihilfe wurden bereits aufgrund der Rechtsprechung korrigiert. Die Rücknahme der Absenkung der Beihilfebemessungssätze wird vom BBW seit Jahren gefordert.

Von einer Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes auf 70 % sollen künftig wieder berücksichtigungsfähige Ehegatten und Lebenspartner, Beihilfeberechtigte mit zwei oder mehr berücksichtigungsfähiger Kinder und Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger profitieren.

4. Säule: Erhöhung kinderbezogene Familienzuschläge für das erste und zweite Kind

Mit Erhöhungsbeträgen zum Familienzuschlag soll der mindestens 15prozentige Abstand zur Grundsicherung für Beamtenfamilien mit 2 Kindern sichergestellt werden. Vorgesehen sind aktuell unterschiedliche Beträge: für das 1. Kind 50.- Euro (bis A 10) bzw. 25.- Euro (A 11 – A 13); für das 2. Kind je nach Besoldungsgruppe und Erfahrungsstufe Beträge in absteigender Höhe bis A 14/R1.