Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft hat zugesagt, dass aufgrund der anhängigen Verfahren beim Bundesverfassungsgericht in Sachen altersdiskriminierender Besoldung bis auf Weiteres auf bisher schon ruhend gestellte Anträge/Widersprüche keine Bescheide erteilt werden. Die Einrede der Verjährung wird in diesen Fällen nicht erhoben, es sei denn, dass der geltend gemachte Anspruch bereits bei der Geltendmachung verjährt war. Der BBW hatte mit Schreiben vom 12. Mai 2015 um eine solche Verfahrensweise gebeten.
Anlass für dieses Schreiben sind die anhängigen Verfassungsbeschwerden (Az.: 2 BvR 756/15, 2 BvR 757/15, 2 BvR 758/15) aufgrund der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2014 zur altersdiskriminierenden Besoldung/Senioritätsprinzip in der Bezahlung. Gegenstand dieser Verfassungsbeschwerden ist insbesondere die Fristberechnung nach § 15 Abs. 2 und 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Sie werfen danach die Frage auf, wann die Frist zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen nach dem AGG und hier insbesondere nach § 15 Abs. 4 AGG zu laufen beginnt. Sollten die Verfassungsbeschwerden# Erfolg haben, hätten möglicherweise auch diejenigen Anspruch auf Entschädigung, die ihren Anspruch nach bisher als maßgebend angeführter Frist – nämlich dem 8.11. 2011, 24.00 Uhr – zu spät angemeldet haben.
Die jetzt in Karlsruhe anhängigen Beschwerden betreffen Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts (2 C 36.13, 2 C 38.13, 2 C 39.13 und 2 C 47.13), in denen das höchste Verwaltungsgericht die Klagen von Bundesbeamten (Soldaten) vollumfänglich abgewiesen hat. Die jetzt vorliegenden Entscheidungsgründe sind jedoch noch nicht rechtskräftig. Die dazu jetzt anhängigen Verfassungsbeschwerden werden nicht vom dbb, sondern von externen Anwälten geführt. Der dbb führt gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 2 C 32.13 eine Verfassungsbeschwerde, insbesondere um die Rückwirkungsproblematik im Freistaat Sachsen zu überprüfen.
Konsequenzen für anhängige Verfahren in Baden-Württemberg:
Aufgrund der Zusage aus dem Finanz- und Wirtschaftsministerium, Anträge/Widersprüche zur altersdiskriminierenden Besoldung vorerst nicht zu bescheiden, müssen betroffene Kolleginnen und Kollegen lediglich dann aktiv werden, sollte ihnen dennoch ein entsprechender Bescheid ins Haus flattern. Ihnen rät der BBW sich schriftlich an die jeweilige Stelle, bei der ihre Verfahren anhängig sind, unter Hinweis auf die Verfassungsbeschwerden unter Nennung der Aktenzeichen zu wenden, auf die Zusage des Ministeriums gegenüber dem BBW zu verweisen und um ein weiteres Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden unter Verzicht auf die Einrede der Verjährung zu bitten.
Das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg wurde über die Entscheidung des Ministeriums zur Verfahrensweise bezüglich der Anträge/Widersprüche zur altersdiskriminierenden Besoldung in Kenntnis gesetzt.
Den Bezüge zahlenden Stellen im außerstaatlichen Bereich hat das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft eine Mehrfertigung des Schreibens übersandt, das auch der BBW erhalten hat, und ihnen anheimgestellt, entsprechend zu verfahren. Außerdem wurden die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Berufsverbände im Land sowie die kommunalen Landesverbände entsprechend informiert.
Im kommunalen bzw. im außerstaatlichen Bereich ist die weitere Verfahrensweise jedoch bisher nicht bekannt. Für die Kolleginnen und Kollegen im kommunalen Bereich bleibt es deshalb dabei: Betroffene Kolleginnen und Kollegen, die Anträge/Widersprüche eingelegt haben und die sich mögliche Ansprüche im Hinblick auf o. g. Verfahren beim Bundesverfassungsgericht eigenverantwortlich und auf eigene Kosten offen halten möchten, ist grundsätzlich zu raten, ihre Verfahren unter Hinweis auf die o. g. Verfassungsbeschwerden aufrecht zu erhalten.
Der bisherige Stand
Bekanntlich hatte das Bundesverwaltungsgericht in Urteilen vom 30. Oktober 2014 festgestellt, dass die Besoldung nach Lebensalter eine Altersdiskriminierung darstellt, Beamte jedoch gleichwohl keinen Anspruch auf eine Einstufung in eine höhere oder gar höchste Dienstaltersstufe haben, sondern nur einen (verschuldensunabhängigen) Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 100 Euro monatlich bis zum Inkrafttreten einer europarechtskonformen besoldungsrechtlichen Neuregelung. Dieser Entschädigungsanspruch besteht jedoch nur dann, wenn entsprechende Anträge auf altersdiskriminierungsfreie Besoldung gestellt wurden und die Ansprüche rechtswirksam geltend gemacht worden sind. Dies ist nach § 15 Abs. 4 S. 1 AGG dann der Fall, wenn der Anspruch innerhalb von zwei Monaten schriftlich erhoben wurde. Die Frist beginnt zu dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene von der Benachteiligung Kenntnis erlangt hat. Nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts ist die entscheidungserhebliche Rechtslage durch die Verkündung des Urteils des EuGH in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 (Rechtssache C-297/10 und C-298/10) geklärt worden. Die Ausschlussfrist beginnt danach mit Erlass des o. g. Urteils des EuGH am 9. September 2011 um 0.00 Uhr und endete am 8. November 2011 um 24.00 Uhr.
Wurde ein entsprechender Antrag auf Entschädigung nach diesem Zeitpunkt gestellt und hat das entsprechende Bundesland (wie dies in Baden-Württemberg zum 1.1.2011 der Fall ist) die Besoldungsgesetze bereits europarechtskonform umgestellt, ist nach der Entscheidung des BVerwG davon auszugehen, dass keine Entschädigungsansprüche bestehen.