29. März 2019
Auf Facebook teilenAuf Twitter weitersagenArtikel versenden

Spareingriffe durch das Haushaltsbegleitgesetz 2013/2014

Nach dem Bundesverfassungsgericht erteilt jetzt auch das Bundesverwaltungsgericht dem Land eine Schlappe

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat gestern (29.03.2019) die Einkünftegrenze für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen von Ehegatten und Lebenspartnern für unwirksam erklärt und damit die Entscheidung des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) – wenn auch mit anderer Begründung – bestätigt.

Welche Konsequenzen das Land nun aus dem BVerwG-Urteil ziehen wird, bleibt abzuwarten. Der Vorsitzende des BBW- Beamtenbund Tarifunion Kai Rosenberger fordert die Landesregierung zu schnellem Handeln auf. In einem ersten Schritt gelte es jetzt die seit 1. Januar 2013 aufgrund der abgesenkten Einkünftegrenze entgangenen Beihilfeleistungen zu erstatten. Zugleich erneuert Rosenberger die Forderung seiner Organisation, die Einkünftegrenze für beihilfefähige Angehörige mindestens wieder auf den Stand vom 31.12.2012 unter Berücksichtigung der Einkommensentwicklung anzuheben und auch die weiteren Beihilfeverschlechterungen zurückzunehmen, die mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2013/2014 in Kraft getreten sind.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts macht eine Korrektur im Landesbeamtengesetz notwendig. Dringend warnt der BBW-Vorsitzende die Landesregierung davor, die Beihilfeverschlechterungen aus dem Jahr 2013 – diesmal ohne „formale Fehler“ – neu aufzulegen. Für diesen Fall kündigt Rosenberger bereits heute rechtliche Schritte an.

Baden-Württemberg ist einmalig, insbesondere wenn es ums Sparen geht. Mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2013/2014 hat das Land den Beamten und Versorgungsempfängern gleich mehrfach in die Tasche gegriffen und die Quittung bekommen: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 18.10.2018 die Absenkung der Eingangsbesoldung für verfassungswidrig erklärt. Am 29.03.2019 hat das Bundesverwaltungsgericht die Einkünftegrenze für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen von Ehegatten und Lebenspartnern in Baden-Württemberg für unwirksam erklärt und damit dem Land in Sachen Haushaltsbegleitgesetz 2013/2014 die zweite Schlappe erteilt.

Das Bündel an Spareingriffen bei der Beihilfe, das seit 1. Januar 2013 in Kraft ist, beinhaltet neben der Absenkung der Einkünftegrenze für berücksichtigungsfähige Angehörige von 18 000 Euro auf 10 000 Euro auch die Reduzierung des Beihilfebemessungssatzes von 70 Prozent auf 50 Prozent für berücksichtigungsfähige Ehegatten und Lebenspartner, für Beihilfeberechtigte mit zwei oder mehr berücksichtigungsfähigen Kindern sowie für Versorgungsempfänger. Hinzu kommen die Erhöhung der Kostendämpfungspauschale und die Begrenzung der Beihilfefähigkeit von zahntechnischen Leistungen auf 70 Prozent.

Für BBW-Vorsitzenden Rosenberger steht fest: Baden-Württemberg darf seine Beamten und Versorgungsempfänger in Sachen Beihilfe nicht länger im Regen stehen lassen. Denn die seit 2013 geltenden Beihilferegelungen kosteten die Betroffenen Monat für Monat viel Geld, weil sie ihre private Krankenversicherung den verschlechterten Beihilfesätzen anpassen müssten. Kai Rosenberger warnt deshalb die Landesregierung: „Wer bei den Gehältern und der Arbeitszeit nur schwer mit der Privatwirtschaft konkurrieren kann, sollte seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht noch zusätzlich durch Sparen bei der Beihilfe verschlechtern.“    

Einzelheiten zum Verfahren

Das Verfahren um die Einkünftegrenze für berücksichtigungsfähige Angehörige hatte ein Ruhestandsbeamter ins Rollen gebracht. Der VGH, der in zweiter Instanz mit der Angelegenheit befasst war, hatte der Klage überwiegend stattgegeben. Dem Kläger stehe Beihilfe unter Berücksichtigung der bisherigen Einkünftegrenze zu, weil deren Absenkung aus zwei Gründen nichtig sei: Schränke der parlamentarische Gesetzgeber durch Änderungen am untergesetzlichen Beihilferecht Beihilfeleistungen ein, so müsse er dies in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht zur Fortschreibung der Beamtenbesoldung entwickelten prozeduralen Begründungspflichten bereits im Gesetzgebungsverfahren nachvollziehbar begründen. Daran habe es gefehlt. Zudem sei die Absenkung der beihilferechtlichen Einkünftegrenze auch mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Landesbeamtengesetz unvereinbar, weil der Begriff des wirtschaftlich nicht unabhängigen Ehegatten oder Lebenspartners evident verkannt worden sei.

Gegen das VGH-Urteil hatte das Land Revision eingelegt und vor dem Bundesverwaltungsgericht erneut verloren. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs allerdings aus anderen Gründen bestätigt. Laut BVerwG ist § 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO BW unwirksam, weil der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes im Beihilfebereich nicht gewahrt ist. Danach muss der parlamentarische Gesetzgeber die tragenden Strukturprinzipien und wesentliche Einschränkungen des Beihilfesystems selbst festlegen. Ihm obliegt demnach auch die grundsätzliche Entscheidung darüber, ob und in welchem Maße medizinisch notwendige und wirtschaftlich angemessene krankheitsbedingte Aufwendungen für Ehegatten oder Lebenspartner des beihilfeberechtigten Beamten von der Beihilfefähigkeit im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse des Ehegatten oder Lebenspartners ausgenommen werden. Deshalb ist ein Ausschluss von der Beihilfefähigkeit durch Rechtsverordnung - wie hier - nur wirksam, wenn der parlamentarische Gesetzgeber in einer Verordnungsermächtigung erkennbar und hinreichend klar zum Ausdruck gebracht hat, dass er eine solche Regelung für zulässig erachtet. Das gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch dann, wenn der Gesetzgeber selbst die Rechtsverordnung ändert. An einer solchen Verordnungsermächtigung fehlt es hier. Dem als Ermächtigung allein in Betracht kommenden § 78 Abs. 2 des Landesbeamtengesetzes Baden-Württemberg ist nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Verwaltung befugt ist, die hier in Rede stehende Bestimmung zu erlassen.