02. Dezember 2015
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Gespräch mit dem Heidelberger Oberbürgermeister zur Flüchtlingskrise

Mehr Unterstützung vom Land gefordert

Im Patrick Henry Village in Heidelberg waren früher amerikanische Streitkräfte stationiert. Jetzt arbeiten dort Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, darunter Bundeswehrsoldaten, Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und viele Ehrenamtliche in der Flüchtlingsaufnahme – am Limit.

Aktuell sei die Bewältigung der Aufgaben gerade „noch machbar“, sagte Heidelbergs Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner Ende November im Gespräch mit BBW-Chef Volker Stich. Wie lange noch, sei fraglich, da die Einrichtung ständig erweitert werde (derzeit 5000). Es fehle an Personal, eine Notfallklinik, Röntgengeräte und manchem mehr, warnt Würzner und fordert vom Land mehr Unterstützung und schnellere Entscheidungen.

Der Gedankenaustausch mit dem Heidelberger Oberbürgermeister gehört zu der Gesprächsreihe, in deren Verlauf der BBW-Vorsitzende sich in den Städten und Gemeinden über den Stand der Entwicklung aufgrund der Flüchtlingszuwanderung informieren will. Ein weiterer Gesprächspartner war bislang der Präsident des Gemeindetags.

Die Probleme aufgrund des anhaltenden Flüchtlingszustroms bedeuten für viele Städte und Kommunen tagtäglich eine neue Herausforderung. Doch die Stadt Heidelberg nimmt dabei eine herausragende Stellung ein. Denn hier wurde ein landesweites Drehkreuz eingerichtet, in dem bis zu dreiviertel aller in Baden-Württemberg ankommenden Flüchtlinge registriert und auf ihren Gesundheitszustand untersucht werden. Direkt nach Stellung des Asylantrags sollen die Flüchtlinge dann auf die Unterkünfte des Landes und der Kommunen verteilt werden, wo sie auf den Ausgang des Asylverfahrens warten, erläuterte Oberbürgermeister Würzner seinen Gesprächspartnern das Verfahren. Er machte keinen Hehl daraus, dass die Bewältigung aller Aufgaben rund um das Asylverfahren immer schwieriger werde. Weil es an Personal fehle, habe er dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits angeboten, hochqualifizierte Verwaltungskräfte der Stadt Heidelberg befristet „auszuleihen“, selbst wenn dadurch Dienstleistungen wie beispielsweise die Öffnungszeiten der Bürgerämter zurückgefahren werden müssten.

Eine solche Entscheidung trifft man nicht gerne. Deshalb nimmt Würzner auch das Land in die Pflicht und fordert, weitere Standorte zur Flüchtlingserstaufnahme zu aktivieren. Wichtig sei, dass das Land Strukturen schaffe und schlüssige Konzepte für das weitere Vorgehen aufstelle. Die Einrichtung im Patrick Henry Village müsse – ebenso wie andere Standorte – gut ausgestattet werden, sowohl was Sozialbetreuung als auch Polizeipräsenz anbelangt. Generell fordert Oberbürgermeister Würzner eine bessere Ausstattung mit Polizeikräften, gegebenenfalls in mobilen Einheiten. Überhaupt drängt Würzner auf mehr Unterstützung vom Land, aus gutem Grund.

In der Region befinden sich derzeit rund 18.000 Flüchtlinge, erläutert der Oberbürgermeister die Lage. Angesichts der Wohnraumknappheit stehe er dadurch vor einer gewaltigen Herausforderung. Heidelberg investiere derzeit gemeinsam mit Partnern 400 Millionen Euro, um in ehemaligen Kasernen 1.400 Wohnungen für alle Bevölkerungsgruppen zu schaffen, zum größten Teil im preiswerten Segment. Es ist nicht neu, dass Städte, wo Wohnraum generell knapp ist, größte Probleme haben, Unterkünfte für Flüchtlinge zu schaffen. Er habe die Erfahrung gemacht, sagt Oberbürgermeister Würzner, dass es bei der Suche nach freien Flächen wichtig sei, den Blick nicht nur auf Bundesliegenschaften zu lenken. Ziel müsse eine möglichst dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen sein. Deshalb drängt er das Land, Kommunen, die schnell handelten, finanziell besser zu unterstützen.