17. März 2023
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Protest in Freiburg

Mehr als 1.000 Beschäftigte zeigen klare Kante für mehr Geld und zukunftsfähige Rahmenbedingungen

Mehr als 1000 öffentlich Beschäftigte sind am 16. März 2023 in Freiburg auf die Straße gegangen und zeigten knapp zwei Wochen vor der dritten Verhandlungsrunde im Tarifstreit TVöD 2023 klare Kante. Sie alle eint die Forderung des dbb beamtenbund und tarifunion: 10,5% mehr Geld, mindestens aber 500 Euro – das muss sein bei einer weiterhin hohen Inflation.

Mit einem Trillerpfeifenkonzert und auf Transparenten machten sie auf ihrem Protestzug durch die Freiburger Innenstadt deutlich, dass es ihnen nicht allein um eine angemessene Bezahlung geht, sondern auch um zukunftsfähige Rahmenbedingungen im öffentlichen Dienst.

An der Protestaktion, zu der der dbb gemeinsam mit dem BBW – Beamtenbund Tarifunion aufgerufen hatten, beteiligten sich streikende Tarifbeschäftigte aus den verschiedenen Mitgliedsgewerkschaften des BBW, aber auch Beamtinnen und Beamte, die ihre Mittagspause nutzten, um Solidarität mit den berechtigten Forderungen ihrer Kolleginnen und Kollegen aus dem Tarifbereich von Bund und Kommunen zu demonstrieren. Selbst Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger reihten sich in den Protestzug ein.

BBW-Vize Jörg Feuerbacher, in der BBW-Landesleitung zuständig für den Tarifbereich, hatte die Kolleginnen und Kollegen, die aus allen Landesbereichen zu der Demonstration nach Freiburg angereist waren, begrüßt und mit markigen Worten auf Protest eingestimmt. „10,5% mehr Geld, mindestens aber 500 Euro – das ist notwendig und nur gerecht. Deshalb sind wir heute hier und fordern dieses Recht in einer Zeit ein, in der die Preise davon galoppieren“, hatte er den Demonstrierenden zugerufen. Wolfgang Kailer, Bezirksvorsitzender BDZ Baden, stimmte ähnliche Töne an. „Es reicht. Es muss endlich Schluss sein mit weiterem Reallohnverlust“, rief er seinen Kolleginnen und Kollegen zu. Auch Hermann-Josef Siebigteroth, Bundesvorsitzender VDStra, und Alexander Baumgartner, Tarifbeschäftigter der Stadt Freiburg (BTBKomba), standen ihren Vorrednern in der Kritik an den öffentlichen Arbeitgebern in nichts nach: Die öffentlich Beschäftigten sorgten dafür, dass das tägliche Leben für alle funktioniere. Dafür forderten sie Gehälter, mit denen sie ihren Lebensunterhalt auch finanzieren könnten, lautete ihre Botschaft unisono.

Hauptredner auf der zentralen Protestkundgebung waren der dbb Fachvorstand Tarifpolitik Volker Geyer und BBW-Vorsitzender Kai Rosenberger.   

„Die Arbeitgeberseite muss sich jetzt endlich bewegen, nachdem sie uns zur zweiten Verhandlungsrunde mit inakzeptablen Vorschlägen abgespeist hat“, monierte Geyer und erklärte: „Die Quittung für diese zweifelhafte Taktik bekommen sie hier in Freiburg und in vielen weiteren Städten. Unsere Geduld ist am Ende.“ Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes hätten Deutschland in den vergangenen fast drei Jahren „vorbildlich, mit höchstem Engagement und sehr erfolgreich“ durch die Dauerkrisen geführt. „Jetzt ist es an der Zeit, dass die Kolleginnen und Kollegen dafür eine ordentliche und faire Lohnerhöhung erhalten. Weitere Mogelpackungen und Nebelkerzen werden wir nicht akzeptieren!“

BBW-Chef Rosenberger, unterstrich: „Wer krisenresilient werden will, muss dafür zu allererst in die wichtigste Ressource investieren - in die Beschäftigten.“ Gleich, ob Tarifpersonal oder Beamtinnen und Beamte: Nur eine konkurrenzfähige Vergütung, moderne Strukturen und zeitgemäße Arbeitsbedingungen könnten dafür sorgen, genügend Fach- und Nachwuchskräfte in den öffentlichen Dienst zu holen. Rosenberger: „Und davon fehlen uns aktuell mindestens 360.000.“ Das müssten eigentlich auch die Arbeitgeber wissen. Der Bund und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) seien daher gut beraten „mit einem verhandlungsfähigen Angebot ein tragfähiges Fundament für zukunftsfähige Rahmenbedingungen im öffentlichen Dienst zu schaffen“.

Es sei nicht verwunderlich, dass Tarifbeschäftigte aber auch die Beamtinnen und Beamte in höchstem Maße unzufrieden mit den aktuellen Tarifverhandlungen sind, kritisierte Rosenberger die Haltung der öffentlichen Arbeitgeber. Wenn man die lineare Erhöhung des Angebots der zweiten Tarifrunde genauer anschaue, 3% zum 01. Oktober und dann noch 2% zum 01. Juni 2024, bedeute dies bei einer Laufzeit von 27 Monaten nichts anderes als eine lineare Erhöhung von rechnerisch 2,76%. „Dieses Angebot ist ein Witz bei einer Inflation im Februar 2023 von 8,7%“, rechnete er unter dem Beifall der Demonstrierenden vor und heizte die Stimmung weiter an: „Das würde nach 2022 weitere Reallohnverluste für 2023 und 2024 bedeuten. Dazu sagen wir Nein. Wir sind mehr wert.“ Schließlich werde die Arbeit immer mehr und immer komplizierter. Deshalb dürfe einfach nicht sein, dass jeder, gemessen an den Steigerungen der Lebenshaltungskosten, immer weniger Geld in der Tasche habe. „Zu Recht seid Ihr unzufrieden, weil die Arbeitgeber nur blockieren und kein Angebot vorlegen, was unserer Leistung entspricht“, rief der BBW-Vorsitzende der Menge zu. Schließlich sei die Forderung nicht unverhältnismäßig gemessen an den 15%, die die Post gefordert habe. Die 10,5% für Arbeitnehmende im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen hingegen sei angemessen und solle nicht mehr und nicht weniger als weitere Reallohnverluste vermeiden.

„Die Politik muss den öffentlichen Dienst endlich wieder auf allen Ebenen wertschätzen, sonst fährt die Daseinsfürsorge vor die Wand“, warnte Rosenberger. Wer einen funktionierende öffentlichen Personennahverkehr will, wer Arbeitssuchenden wieder in die Arbeit helfen möchte, wer das Pflege- und Gesundheitswesen und überhaupt die gesamte öffentliche Verwaltung am Laufen halten will, müsse endlich begreifen, dass sehr gutes Personal nicht als teuerster Kostenfaktor gesehen werden darf, sondern als wertvollste Ressource, die ein öffentlicher Dienst haben kann. Die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände habe aber offensichtlich noch immer nicht begriffen, dass beim derzeitigen Fachkräftemangel die Arbeitsplätze attraktiver gestaltet werden müssen, um konkurrenzfähiger zu werden. Die Pandemie habe doch gezeigt, wie wichtig ein gut funktionierender öffentlicher Dienst ist. Deshalb müsse die laufende Einkommensrunde eine Investitionsrunde sein und keine Sparrunde. „Der Staat muss endlich begreifen: Eine gute Verwaltung hat zwar ihren Preis, aber vor allem auch ihren Wert“, sagte Rosenberger unter lauten Beifallsbekundungen.

Klar sei aber auch, dass ein guter Tarifabschluss TVöD nur ein erster Schritt in Sachen angemessener Bezahlung sein könne, erklärte der BBW-Vorsitzende. Die Übertragung des Tarifergebnisses auf die Besoldung müsse folgen, und zwar ohne Abstriche, betonte er. Darüber hinaus sei der Tarifabschluss TVöD ein wichtiges Signal für die Einkommensrunde der Länder, die im Herbst 2023 beginnt

Hintergrund

Vom Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) sind insgesamt über 2,5 Millionen Beschäftigte direkt oder indirekt betroffen: Fast 1,6 Millionen Arbeitnehmende des Bundes und der Kommunen und weiterer Bereiche, für die der TVöD direkte Auswirkungen hat, sowie Auszubildende (6.350 beim Bund, 56.300 bei den Kommunen), Praktikantinnen und Praktikanten sowie Studierende in ausbildungsintegrierten dualen Studiengängen und auch knapp 190.000 Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte, Anwärterinnen und Anwärter (16.885 beim Bund) sowie über 500.000 Versorgungsempfängerinnen und -empfänger beim Bund, auf die der Tarifabschluss übertragen werden soll. Die dritte und vorerst letzte terminierte Verhandlungsrunde ist für den 27./28. März 2023 in Potsdam geplant.