07. November 2019
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Offener Gedankenaustausch mit Grünen-Landeschef Hildenbrand über das Hamburger Modell, doch:

Keine Annäherung in der Sache

Der Gesprächston war freundlich, der Gedankenaustausch umfassend und offen. Doch auf einen gemeinsamen Nenner kamen Grünen-Landesvorsitzender Oliver Hildenbrand und BBW-Chef Kai Rosenberger dennoch nicht. Am Ende der einstündigen Unterredung war klar: Hildenbrands Werben um Zustimmung für das Hamburger Modell als Alternative zur privaten Krankenversicherung der Beamten war umsonst. „Auf keinen Fall“, lautete die Antwort Rosenbergers.

Für den BBW ist das Hamburger Modell nichts anderes als der Einstieg in die Bürgerversicherung und die lehnt man in der Organisation aus guten Gründen ab. Deshalb war man beim BBW auch verschnupft als man im September aus der Presse erfuhr, dass sich der Landeschef der Grünen für eine Einführung des Hamburger Modells in Baden-Württemberg stark macht. BBW-Chef Rosenberger reagierte damals umgehend und begründete – ebenfalls via Presse – die ablehnende Haltung des BBW.

Doch damit allein wollte es der BBW-Vorsitzende in dieser Angelegenheit nicht belassen. Weil Rosenberger es für wichtig hält, dass man gegenseitige Positionen im persönlichen Gespräch abklärt, lud er den Landesvorsitzenden der Grünen zu einem Gedankenaustausch ins Haus des Beamtenbunds ein. Dort traf man sich am 24. Oktober 2019. Es wurde ein Gespräch in angenehmer Atmosphäre – allerdings ohne Annäherung in der Sache, obwohl Hildenbrand immer wieder versuchte Konsens herzustellen.

Wie schon im September gegenüber der Presse, bekannte der Grünen-Landeschef auch gegenüber Rosenberger offen, dass er ein glühender Verfechter der Bürgerversicherung sei. Doch die Bürgerversicherung sei nicht Gegenstand seines Vorstoßes, merkte er zugleich erklärend an. Darüber könne nur in Berlin entschieden werden. Was er wolle, und zwar nicht jetzt und sofort, sondern als Baustein im Wahlprogramm der Grünen für die 2021 anstehende Landtagswahl, sei die Einführung des Hamburger Modells auch für baden-württembergische Beamtinnen und Beamte.

Eine Neuordnung der Krankenversicherung für Beamte, das so genannte Hamburger Modell, hatte der Stadtstaat Hamburg im vergangenen Jahr eingeführt. Seit August 2018 können dort Beamte zwischen privater Krankenversicherung plus Beihilfe und einem pauschalen Beihilfemodell wählen, das – entsprechend dem Arbeitgeberanteil bei der Krankenversicherung von Arbeitnehmern – dann greift, wenn sich Beamte gesetzlich versichern lassen.  

Hildenbrand ist überzeugt, dass die Beamtinnen und Beamten im Land von einer Einführung des Hamburger Modells nur profitieren. Er spricht von einer echten Wahlfreiheit zwischen Privater Krankenversicherung (PKV) und Gesetzlicher Krankenversicherung (GKV). Um Zustimmung bei BBW-Chef Rosenberger werbend erklärt er: „Es nützt vielen und schadet niemandem.“ Zugleich verweist er auf die Beamtinnen und Beamten im Land, die gesetzlich versichert sind, was sie teuer zu stehen komme.

Im Land gibt es derzeit 4409 Beamtinnen und Beamte, die gesetzlich versichert sind. Sie zahlen sowohl den Arbeitnehmer- wie auch den Arbeitgeberanteil ihrer Krankenversicherung und damit in der Summe wesentlich mehr als ihre privat versicherten Kolleginnen und Kollegen. „Dass dies so ist, ist ärgerlich und tut uns für jeden Betroffenen leid“, räumte Rosenberger ein. Zugleich weist er aber darauf hin, dass dieser Personenkreis lediglich 1,4 Prozent der Beamtinnen und Beamten im Land ausmache. Deren Interessen könne der BBW nicht vorrangig berücksichtigen, wenn es um den Erhalt einer hervorragenden Krankenversorgung für alle gehe. Denn, dass das Hamburger Modell der erste Schritt in Richtung Bürgerversicherung ist und in ein Gesundheitssystem führt, das den derzeitigen hohen Leistungsstand der medizinischen Versorgung nicht halten kann, davon ist BBW-Chef Rosenberger überzeugt.

Warum dies seiner Meinung nach so ist, belegte Rosenberger mit Zahlen: Der Anteil der Privatversicherten an der Gesamtzahl aller Krankenversicherten in Deutschland liege bei 10,6 Prozent. Davon seien die Hälfte Beamte. Alle Privatversicherten sorgten im Gesundheitssystem für einen Mehrumsatz von 13 Milliarden Euro. Lege man dieses Geld auf alle Arzt- und Zahnarztpraxen Deutschlands um, kämen auf jede Arztpraxis 54 000 Euro. Da durch die Überführung der Privatversicherten in die Bürgerversicherung der Mehrumsatz wegfalle, führt das für Rosenberger in der Konsequenz dazu, dass entweder die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems deutlich schlechter wird oder die Beitragssätze in der GKV deutlich angehoben werden.

Aber nicht nur die Bürgerversicherung, sondern auch das Hamburger Modell allein stößt beim BBW auf wenig Gegenliebe. Daran ändert nichts, dass inzwischen auch Bundesländer wie Brandenburg, Berlin, Bremen und Thüringen erwägen, das Hamburger Modell zu übernehmen. Rosenberger ist und bleibt skeptisch. Wer wechselt ins Hamburger Modell, fragt er und hat die Antwort und die Folgen für die GKV gleich selbst parat: kinderreiche Familien, chronisch Kranke und Schwerbehinderte, für die sich die Solidarversicherung rechne, in der Konsequenz aber alle Beitragszahler belaste.

Aber noch anderes stört Rosenberger am Hamburger Modell, nämlich die angebliche Wahlfreiheit zwischen PKV und GKV, von der auch Grünen-Landeschef spricht. „Von Wahlfreiheit kann keine Rede sein“, hält Kai Rosenberger dagegen. Wer sich einmal für die pauschale Beihilfe entschieden habe, könne nicht mehr zur individuellen Beihilfe zurückkehren. „Wahlfreiheit sieht für mich anders aus“, sagt der BBW-Vorsitzende. Außerdem verweist er darauf, dass sich in der Hansestadt von den Neueinstellungen ab der Einführung des Hamburger Modells am 01.08.2018 lediglich 1560 Beamtinnen und Beamte (16,3 %) für das Hamburger Modell entschieden haben. BBW-Chef Rosenberger: So sieht kein Erfolgsmodell aus.

Ein Erfolgsmodell ist für Rosenberger hingegen das Berufsbeamtentum, zu dem das Streikverbot, die lebenslange Alimentation und die Fürsorge des Dienstherrn in Form der anteiligen Beteiligung an den Krankheitskosten gehörten. „Dafür setzt sich der BBW ein“, betonte er zum Schluss der Unterredung mit Hildenbrand, um dann noch ergänzend hinzu zu fügen: „nicht aber für ein Hamburger Modell, das, wie die Finanzministerin vor einem Jahr selbst eingeräumt habe, am Ende Mehrkosten für das Land mit sich bringt.“