20. Juni 2018
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Amtsangemessene Alimentation

Entscheidung über Widersprüche bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt

Anträge auf amtsangemessene Besoldung werden im Land ab sofort einvernehmlich ruhend gestellt, unabhängig davon ob es dabei um berücksichtigungsfähige Kinder oder um eine amtsangemessene Alimentation im Hinblick auf das Abstandsgebot zur Sozialhilfe geht. Das geht aus einer Mitteilung des Finanzministeriums vom 11. Juni 2018 hervor. Demnach will man vor einer endgültigen Entscheidung über das künftige Vorgehen die entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten.

Nachdem das Finanzministerium zunächst die Entscheidung über Anträge auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation für Beamte mit drei und mehr berücksichtigungsfähigen Kindern ausgesetzt hatte, dehnte die oberste baden-württembergische Finanzbehörde ein entsprechendes Verfahren jetzt auch auf Widersprüche aus, die eine amtsangemessene Besoldung hinsichtlich des Abstandsgebots zur Sozialhilfe betreffen.

Entsprechende Musteranträge und Musterwidersprüche, die vom dbb  und BBW initiiert worden waren, hatte der BBW Betroffenen im Dezember 2017 zur Verfügung gestellt. Der vom BBW initiierte Musterwiderspruch basiert auf dem vom BBW in Auftrag gegebenen Gutachten der Speyerer Finanzwissenschaftlerin Prof. Dr. Gisela Färber sowie Vorlagebeschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts und des OVG Berlin-Brandenburg.

Aufgrund der jüngsten Entwicklung empfiehlt der BBW seinen Mitgliedern – unabhängig von der Besoldungsgruppe -, die ihre Besoldung bisher noch nicht beanstandet haben, mögliche Ansprüche umgehend eigenverantwortlich zu sichern. Ein entsprechendes Musterschreiben kann bei den Geschäftsstellen der Mitgliedsgewerkschaften und Mitgliedsverbänden des BBW angefordert werden.

In seinem Schreiben vom Juni 2018 beruft sich das Finanzministerium auf die inzwischen vorliegenden Begründungen des Bundesverwaltungsgerichts zu seinen Vorlagebeschlüssen vom 22. September 2017 (Az.: 2 C 56.16 u.a.) betreffend die Besoldung im Land Berlin. Angesichts dieser Begründungen sei das Finanzministerium damit einverstanden, dass bereits eingereichte oder noch einzureichende Widersprüche beziehungsweise Anträge auf Gewährung einer amtsangemessenen Besoldung im Hinblick auf den gebotenen Mindestabstand der Besoldung zum sozialhilferechtlichen Existenzminimum bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die genannten Vorlagebeschlüsse einvernehmlich ruhend gestellt werden. Die Einrede der Verjährung werde in diesen Fällen nicht erhoben, es sei denn, dass der geltend gemachte Anspruch bereits bei der Geltendmachung verjährt oder verwirkt war. Allerdings bleibe das Erfordernis der haushaltsnahen Geltendmachung hiervon unabhängig bestehen.

Weiter wies das Finanzministerium darauf hin, dass die im Rahmen von Anhörungsverfahren nach §§ 89 und 90 LBG zu beteiligenden Verbände, die außerstaatlichen Bezügestellen sowie das LBV entsprechend informiert wurden.

Aktuell hat auch das OVG Saarland mit Vorlagebeschluss vom 17.05.2018 (Az. 1 A 22/16) dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Alimentationsniveaus im Saarland vorgelegt.

Der Vorlagebeschluss des BVerwG:

Das Bundesverwaltungsgericht hatte am 22. September 2017 dem Bundesverfassungsgericht in insgesamt acht Verfahren die Frage vorgelegt, ob die Besoldung im Land Berlin in den Jahren 2008 bis 2015 amtsangemessen ausgestaltet war. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts waren jedenfalls für zwei wesentliche Parameter (Vergleich der Besoldungsentwicklung zu den Tarifergebnissen der Angestellten im öffentlichen Dienst und zum Verbraucherpreisindex) die Schwellenwerte in besonders deutlicher Weise überschritten, sodass eine umfassende Betrachtung und Gesamtabwägung der Verfassungsmäßigkeit des Alimentationsniveaus vorzunehmen sei. Die danach anzustellende Gesamtbetrachtung ergebe ein einheitliches Bild und lasse vernünftige Zweifel am Vorliegen einer verfassungswidrigen Unteralimentation nicht zu. Die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation kann nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts demnach auch bestehen, wenn nur zwei der fünf vom Bundesverfassungsgericht für die Prüfung auf der ersten Stufe benannten Parameter erfüllt sind, dies aber in besonders deutlicher Weise.

Auch habe bei der Besoldung der Beamten der Berliner Gesetzgeber die absolute Untergrenze einer verfassungsgemäßen Alimentation unterschritten. Schließlich müsse sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Beamtenbesoldung vom Niveau der sozialrechtlichen Sicherung jedenfalls um 15 Prozent abheben, was im Land Berlin nicht eingehalten worden sei. Die Fehlerhaftigkeit des Besoldungsniveaus in den unteren Besoldungsgruppen führe zwangsläufig auch zu einem Mangel der den Klagen zu Grunde liegenden Besoldungsgruppen. Auf Grund des Abstandsgebotes wirke sich demnach eine Unterschreitung der Untergrenze der beamtenrechtlichen Alimentation auch auf höhere Besoldungsgruppen aus. Zusätzlich zur relativen Prüfung der Besoldungsentwicklung sei daher auch die Kontrolle erforderlich, ob die Alimentation noch den Mindestabstand zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau wahrt.

Zudem setzte sich das Bundesverwaltungsgericht auch mit den Fragen der Berechnung des Mindestabstands der Beamtenbesoldung zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau auseinander.