03. Juli 2015
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Politisches Sommerfest im Garten des Beamtenbunds

Die Rede des Ministerpräsidenten – Zündstoff an einem heißen Sommerabend

Immer wieder sprach er von seiner Wertschätzung für die Beamten. Doch die versöhnliche Geste von BBW-Chef Volker Stich für ein besseres Miteinander in der Zukunft ignorierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Stattdessen reagierte er beim traditionellen Politischen Sommerfest des BBW – Beamtenbund Tarifunion kompromisslos – als Replik auf eine „beinharte politische Rede“ des Gastgebers, wie es sie laut Kretschmann „nur bei Sommerfesten des BBW gibt“.

Wer bis dato noch nicht davon überzeugt gewesen war, dass der Ministerpräsident den Beamtinnen und Beamten den lautstarken Empfang noch immer nachträgt, den sie ihm im Frühjahr 2012 bei der Protestveranstaltung des BBW in der Stuttgarter Liederhalle bereitet hatten, wurde eines Besseren belehrt. Kretschmann beharrt an jenem heißen Sommerabend am letzten Junitag 2015 darauf, dass seine Regierung den einzig richtigen Kurs eingeschlagen habe und verweist zur Begründung – wie schon so oft – auf den hohen Personalkostenanteil im Landeshaushalt, auf die Schuldenbremse, das strukturelle Haushaltsdefizit und die Pensionsverpflichtungen. Alle grün-roten Beamten-Sonderopfer verteidigt er als unerlässlich, kritisiert die Reaktion der „Staatsdiener“ und ihrer Standesorganisation als überzogen, ja ungerechtfertigt, um abschließend aber den Gästen der Gartenparty nochmals zu versichern, wie sehr er die Arbeit der Beamtinnen und Beamten schätze und welch wichtige Aufgabe sie im Staatsgefüge einer Demokratie erfüllten.
Die Vorhaltungen von BBW-Chef Volker Stich, der in seiner Ansprache trotz verbindlicher Worte sehr wohl die Kritik an den wiederholten Sparrunden bei den Beamten inklusive Absenkung der Eingangsbesoldung nicht ausgeklammert hat, wischt Kretschmann beiseite. Entsprechend reagiert er auf jedwede Kritik, beispielsweise darauf, dass Baden-Württemberg in Bezug auf Anpassung von Besoldung und Versorgung im Ländervergleich einen der letzten Plätze einnimmt, oder dass seine Regierung die zeitverzögerte Übertragung des Tarifergebnisses 2015/2016 der Beamtenschaft verordnet habe ohne vorherige Gespräche mit den Gewerkschaften.
Der Ministerpräsident hat für alles eine scheinbar schlüssige Erklärung parat: Grün-Rot investiere gezielt und zukunftsorientiert in den öffentlichen Dienst. Man habe eine Vielzahl an neuen Stellen geschaffen und obendrein noch Geld für ein Job-Ticket locker gemacht. Das alles komme am Ende auch den Beamten zugute. Ganz besonders wichtig ist dem Ministerpräsidenten aber der Hinweis, dass seine Regierung viel Geld für Bildung und Forschung in die Hand nehme: Schließlich konkurriere der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg nicht mit Mecklenburg-Vorpommern, sondern mit Kalifornien, Singapur und China, sagt er.
Auch Stichs Vorhalt, der Ministerpräsident entziehe sich dem Dialog mit dem Beamtenbund, blieb unbeantwortet. Auf die Entscheidung der Regierung zur Anpassung von Besoldung und Versorgung in den Jahren 2015/2016 eingehend, erklärte er nur lapidar: „Auch wenn ich mit Ihnen drei Stunden geredet hätte, wäre nichts anderes dabei herausgekommen.“ Zum Abschluss versicherte er dem Hausherrn und Gastgeber des Abends aber dann noch, dass seine Tür für den Beamtenbund offen stehe.
Eine gute Stunde weilt Kretschmann am Hohengeren. Dann zieht er weiter zum nächsten Termin. Zurück bleiben führende Landespolitiker, Spitzenvertreter aus Ministerien, Landesbehörden und Wirtschaft, konsternierte Verbandsvertreter – eine Gästeschar, unter der sich so mancher fragt: „Was war das denn?“
Bericht: "Die Tür ist offen, aber nur einen Spalt" (PDF)