12. März 2020
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Bundesverfassungsgericht erklärt Entfernung aus dem Beamtenverhältnis durch Verwaltungsakt für verfassungskonform

BBW bleibt dennoch dabei: Zuständigkeit für weitreichende Disziplinarmaßnahmen sollte beim Disziplinargericht liegen

Ungeachtet der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), wonach die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis durch einen Verwaltungsakt verfassungskonform ist, hält der BBW an seiner grundsätzlichen Kritik an der entsprechenden Regelung im Landesdisziplinargesetz fest. „Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die Zuständigkeit für so weitreichende Disziplinarmaßnahmen, wie der Entfernung aus dem Dienst, der Zurückstufung oder der Aberkennung des Ruhegehalts, besser beim Disziplinargericht liegen sollte“, sagt BBW-Chef Kai Rosenberger und verweist auf entsprechende Regelungen im Bundesdisziplinargesetz und dem Disziplinarrecht anderer Länder.

Baden-Württemberg hatte im Jahr 2008 im Rahmen der Novellierung des Landesdisziplinarrechts nicht nur die Disziplinarbefugnisse der Disziplinarbehörden auf alle Disziplinarmaßnahmen erweitert, sondern dabei auch dem Dienstvorgesetzten eine Schlüsselrolle zuerkannt – eine Regelung, die der BBW damals im Rahmen des Beteiligungsverfahrens schon äußerst kritisch bewertet hatte.

Diese Kritik hat der BBW in seiner Stellungnahme zu der Verfassungsbeschwerde eines Polizeibeamten wiederholt, die dem heute vom Bundesverfassungsgericht veröffentlichten Beschluss vom 14. Januar 2020 (AZ: - 2 BvR 2055/16 -) zugrunde liegt.

Im Disziplinarrecht des Bundes und der meisten Länder ist die Entscheidung über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis einer bei den Verwaltungsgerichten angesiedelten Disziplinargerichtsbarkeit zugewiesen. Während der Dienstherr die Verfahrenseinstellung und den Erlass einfacher und mittlerer Disziplinarmaßnahmen selbst verfügen kann, muss er zur Verhängung schwerer, statusrelevanter Maßnahmen Disziplinarklage beim Verwaltungsgericht erheben. Baden-Württemberg schert aus dieser Regelung aus.

Einen Grund zur Beanstandung der baden-württembergischen Regelung sieht das Bundesverfassungsgericht nicht. Es bestehe weder ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, wonach eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur durch Richterspruch erfolgen darf, noch dass die Entfernungsentscheidung der unmittelbaren alleinigen Disziplinargewalt des Dienstvorgesetzten entzogen und immer einem Gremium zu überantworten ist. Auch das zum Kernbestand der Strukturprinzipien gehörende Lebenszeitprinzip aus Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz erfordere keinen Richtervorbehalt für Entfernungen aus dem Beamtenverhältnis, da effektiver nachgelagerter Rechtsschutz sichergestellt sei.

Die Entscheidung des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts war nicht einstimmig. Ein Mitglied des Richtergremiums vertritt die Auffassung, dass die ersatzlose Streichung des präventiven Richtervorbehalts bei der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis unverhältnismäßig in Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz eingreife. Dieser Eingriff werde nicht durch funktional äquivalente Vorkehrungen kompensiert, wie sie ein förmliches Unparteilichkeit und Fairness sicherndes Verwaltungsverfahren darstellen würde. Der präventive Richtervorbehalt gewährleiste Beamtinnen und Beamten nicht nur ein Höchstmaß an effektivem Rechtsschutz. Er sichere zugleich Fairness und Waffengleichheit zwischen dem Beamten und seinem Dienstherrn und erschwere eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Disziplinarrechts durch den Vorgesetzten. Die ersatzlose Streichung des präventiven Richtervorbehalts bewertet das Mitglied des 2. Senats deshalb auch als unverhältnismäßigen Eingriff in den Normbestandsschutz von Art. 33 Abs.5 GG, der durch die Möglichkeit einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung allein nicht verhindert werde.

Mit dieser Einschätzung liegt der Richter, der sich der BVerfG-Entscheidung durch die Mehrheit des 2. Senats nicht angeschlossen hat, ganz auf Linie des BBW, die dieser bereits in seiner Stellungnahme im Vorfeld  der Änderung des Landesdisziplinarrechts  geäußert und in seiner Stellungnahme zu der Verfassungsbeschwerde im Juli 2019 wiederholt hatte.