12. Dezember 2017

Zeiten der Auseinandersetzung – ein Relikt vergangener Tage?

Ministerpräsident geht auf die Beamtenschaft zu

Tempi passati – die Zeiten sind vorbei als noch wütende Beamtinnen und Beamte den Ministerpräsidenten mit einem Pfeifkonzert empfangen haben. Beim Gewerkschaftstag des BBW gab es stattdessen freundlichen Applaus für Ministerpräsident Winfried Kretschmann, als dieser den Saal betrat, flankiert vom neuen und alten BBW-Vorsitzenden. Neu waren auch Ton und Inhalt seiner Rede. Statt altgewohnter Hinweise zu notwendigen Spareingriffen, äußerte er sich diesmal verbindlich, deutete etwaige Zugeständnisse an und schränkte allzu hohe Erwartungen ein – alles verpackt in launige Worte.

Die Eiszeit hätten seine Regierung und der Beamtenbund hinter sich gelassen, sagte Kretschmann und fügte scherzend hinzu: Die Natur brauche für so einen Klimawandel 100 000 Jahre, „da sage noch einer, dass die baden-württembergische Politik schwerfällig ist.“ Nach dem Führungswechsel beim BBW von Volker Stich zu Kai Rosenberger hoffen beide Seiten weiterhin auf respektvollen Umgang miteinander. „Es gibt viel zu tun. Lassen Sie es uns gemeinsam anpacken“, hatte Rosenberger für den Fortbestand des konstruktiven Dialogs zwischen Landesregierung und BBW geworben. Sehr lange währt dieser konstruktive Dialog noch nicht. Jahre lang hatten Stich und Kretschmann sich oft bitterlich ob ihrer gegensätzlichen Positionen auseinandergesetzt. „Manchmal haben wir wie die Kesselflicker gestritten“, sagte Kretschmann und fuhr fort: „Irgendwie haben wir uns aber dennoch gemocht. Schließlich sei der Gesprächsfaden nie abgerissen. Ein Ausreißer sei das mit den Vuvuzelas gewesen, erinnerte er an den Höhepunkt der Beamtenproteste im März 2012 in der Stuttgarter Liederhalle und merkte dazu schmunzelnd an: „Auch wohlerzogene Beamten benehmen sich mal daneben.“ Das habe er in seiner Jugend schließlich auch getan. Nach Konfrontation ist es Kretschmann an jenem 6. Dezember in Ludwigsburg nicht. Gelassen hört er sich an, was der neue Mann an der Spitze des BBW von der Landesregierung erwartet. Dieser hatte klipp und klar gesagt, was Sache ist: Als erstes müssten die Beihilfeverschlechterungen für junge Beamtinnen und Beamte vom Tisch. Danach müsse die Besoldungsstruktur auf den Prüfstand. Das Ende der abgesenkten Eingangsbesoldung zu Beginn 2018 sei ein richtiges Signal gewesen, um der Nachwuchsproblematik im öffentlichen Dienst zu begegnen, hatte Rosenberger festgestellt. Jetzt müsse für diesen Personenkreis mit der Rücknahme der abgesenkten Beihilfesätze für Ehepartner und im Ruhestand ein weiteres folgen. Der Ministerpräsident sieht das wohl anders. Zwar beschränkte er sich in Ludwigsburg auf die Äußerung, man habe trotz abgesenkter Eingangsbesoldung genügend Bewerber gehabt. Am Vortag war jedoch schon durchgesickert, dass die Grünen gegenwärtig nicht vorhaben die Verschlechterungen der Beihilfe zurückzunehmen. Dennoch versichert Kretschmann in Ludwigsburg, er wolle im Dialog mit dem Beamtenbund erörtern, wie sich dessen Forderungen „wenigstens teilweise“ erfüllen lassen. Man müsse sehen, „welch dicke Brocken“ man gemeinsam abräumen könne. Zu diesen „dicken Brocken“ gehört mit Sicherheit die Überprüfung der Besoldungsstruktur, an der laut Gutachten der Speyerer Finanzwissenschaftlerin Prof. Dr. Gisela Färber kein Weg vorbei führt. Die Inhaberin des Lehrstuhl für Wirtschaftliche Staatswissenschaften an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer hat nämlich nachgewiesen, dass die Besoldung in Baden-Württemberg an der Verfassungsmäßigkeit schrammt, insbesondere weil in Großstädten bei Beamtengehältern der Besoldungsgruppen A 5 bis A7 das Abstandsgebot zur Sozialhilfe verletzt wird. Das gilt insbesondere für Neuverbeamtungen ab dem 1. Januar 2013, dem Zeitpunkt also, zu dem die Beihilfeverschlechterungen in Kraft getreten sind. Zur „kleinen Dienstrechtsreform“, die der BBW aufgrund des Färber-Gutachtens fordert, äußerte sich der Ministerpräsident zurückhaltend. Er versprach zwar eine gründliche Prüfung, merkte zugleich aber auch an: „Der erste Interpret der Verfassung ist der Gesetzgeber – nicht externe Gutachter, seien sie noch so angesehen.“ Trotz dieser klaren Ansage blieb Kretschmann verbindlich, warb dafür, dass man auch in Zukunft nicht alle Wünsche werde erfüllen können. „Wir können die Haushalte nicht mehr so auf Kante nähen“, betonte er mit dem Verweis auf die Schuldenbremse im Jahr 2020 und auf den gigantischen Sanierungsstau. „Notfalls streiten wir uns – das gehört zum Geschäft“, sagte er, betonte aber zugleich, dass es wichtig sei dennoch im Gespräch zu bleiben. Als größtes gesamtgesellschaftliches Problem bezeichnete Kretschmann die hohen Mieten in Ballungsräumen. „Das betrifft nicht nur die Beamten“, betonte der Regierungschef. Zugleich wies er darauf hin, dass das Land 250 Millionen in die Förderung von bezahlbarem Wohnraum investiere. Klar sei jedoch, dass dieses Geld nicht ausreiche. Es stelle sich inzwischen die Frage, ob es ein Fehler gewesen sei die Dienstwohnungen abzuschaffen. Selbst den Streit um die Bahnfahrt erster Klasse thematisiert Kretschmann in Ludwigsburg. Er verspricht eine unbürokratische Lösung, merkt jedoch auch süffisant an: „Wohl dem Land, das über solche Themen solch erbitterte Debatten führt.“ Viel Lob und Anerkennung hatte der Ministerpräsident für die öffentlich Beschäftigten parat. Gleich zu Beginn seiner Ansprache erinnerte er an ihr unermüdliches Engagement während der Flüchtlingskrise: „Hätten Sie nicht einen so guten Job gemacht, hätte der Einsatz der vielen Ehrenamtlichen nicht funktioniert.“ Am Ende seiner Ansprache verwies er auf die Vorzüge des Beamtendaseins wie „hochattraktive Pensionen“ oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die in guten Zeiten aus dem Blick gerieten, bevor er sich an Kai Rosenberger, den neuen BBW-Vorsitzenden wandte: „Ich hoffe, dass Ihre Vorliebe für Heavy Metall kein Vorbote für die Begleitmusik unserer Zusammenarbeit ist.“ Die Grußwortredner Der neue dbb Chef Ulrich Silberbach rief in Ludwigsburg zu enger Zusammenarbeit zwischen Dachorganisation, Landesbünden und Fachgewerkschaften auf, um die bevorstehenden Herausforderungen gemeinsam zu bestehen. Insbesondere ging der dbb Chef auf das Thema Einheitskrankenversicherung ein, das derzeit von der SPD wieder ins Spiel gebracht wird. Das eigenständige Sicherungssystem der Beamten aus Beihilfe und PKV habe sich über Jahrzehnte bewährt, betonte Silberbach. Eine Einheitsversicherung hingegen wäre ein Irrweg, der die bestehenden Probleme nur verschärfe. Unverrückbar ist für Silberbach das Streikverbot von Beamten. „Das Berufsbeamtentum ist ein Garant für eine stabile Versorgung der Bürger mit öffentlichen Dienstleistungen“, sagte Silberbach. Ein Streikrecht für Beamte widerspreche darüber hinaus dem Lebenszeitprinzip und Alimentationsrecht. Andreas Schwarz, der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, bedankte sich bei dem scheidenden BBW-Vorsitzenden Volker Stich für die fruchtbare Zusammenarbeit: „Der Dialog hat sich gelohnt.“ Kai Rosenberger, dem neuen Mann an der Spitze des BBW versprach er: „Wir werden das Färber-Gutachten anschauen, insbesondere im Hinblick auf das Abstandsgebot.“ Im Übrigen verwies er auf die Stellen, die Grün-Schwarz im Justiz- und Bildungsbereich und bei der Polizei neu ausgewiesen habe und darauf, dass man in den sozialen Wohnungsbau investiere. CDU-Fraktionschef Reinhart bescheinigte Stich, er sei ein beharrlicher, wenn nötig auch ein streitbarer Kämpfer für den öffentlichen Dienst und seine Beschäftigten gewesen. Dankbar sei er, dass das angespannte Verhältnis zwischen dem BBW und der Landesregierung inzwischen der Vergangenheit angehöre. Dass es dazu gekommen ist, beanspruchte Reinhart zu einem guten Teil für seine Partei und seine Fraktion. Zum Färber-Gutachten merkte er an, seine Fraktion werde die Untersuchung auswerten. Dafür habe man in der CDU bereits eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Staatssekretär a. D. Peter Hofelich (SPD) wandte sich entschieden dagegen, dass das Ende der Eiszeit zwischen BBW und der Landesregierung mit dem Ausscheiden der SPD aus der Landesregierung in einen Zusammenhang gestellt werde. Er erinnerte an die vielen guten Gespräche, die es unter Grün-Rot mit führenden Vertretern seiner Partei gegeben habe. Insbesondere nannte er dabei die vertrauensvollen Unterredungen, die Stich mit dem damaligen SPD Fraktionschef geführt hat. Auf das Färber-Gutachten eingehend erklärte er, die Aussage dieser Untersuchung sei sehr ernst zu nehmen. Eine Unteralimentation dürfe es nicht geben. Der FDP-Abgeordnete Erik Schweickert verlegte sich auf Kritik an der grün-schwarzen Landesregierung. Das Ende der abgesenkten Eingangsbesoldung sei nicht ihr Verdienst, sagte er und wandte sich an die Delegierten im Saal: „Das haben ganz allein Sie erreicht.“ Dann beschäftigte er sich kritisch mit den Äußerungen des Ministerpräsidenten zum Färber-Gutachten vor: „Sie haben gehört, der erste Interpret der Verfassung ist die Landesregierung“, bevor er Grün-Schwarz schließlich vorhielt, es reiche nicht aus, dass man von der Notwendigkeit von bezahlbarem Wohnungsbau rede. Taten seinen angesagt.